Winter im Weinviertel: Eisweinlese und ein Toter im Bottich einer Weinpresse. Stellen Sie sich einen kalten Wintermorgen, ein einsam und verlassen gelegenes Presshaus und eben diese Leiche darin vor, die am Holz des Bottichs festgefroren ist; ein viel versprechender Anfang!
Bei Alfred Komarek liegt die Latte allerdings hoch, muss er doch gegen die Konkurrenz seiner drei voran gegangenen spannenden und erfolgreichen Polt-Krimis anschreiben. Und diese, die ihm unbarmherzig im Nacken sitzen gilt es natürlich noch zu übertreffen!
Mit ungebrochener, ja mörderischer Lust am Erzählen macht sich der Autor an diese fast nicht zu bewältigende Aufgabe. Lange streift er um die Weinpresse herum, schildert diese illustriert bis ins Detail. Man kann förmlich sehen, wie der Hengst, der große hölzerne Pressbalken, dem Toten den Schädel zerquetscht und das Blut sich in die Traubenmaische des zukünftigen Eisweins mischt. Vier düstere Männer, die ihre besten Jahre bereits hinter sich haben stehen in aller Früh um den Presskorb herum, in dem der verstümmelte Tote liegt: Simon Polt, der Gendarm, zwei befreundete Winzerkollegen und Nachbarn sowie Karl Fürnkranz, der Hauptverdächtige, da es dessen Presshaus ist, in dem der Tote liegt. Alle sind geschockt, doch niemand trauert: Der Ferdl Lutzer, der Tote, war im Leben ein sadistischer Misthund, ein Frauenheld der miesesten Sorte, der es gern hörte, wenn seine Opfer wimmerten. Gewimmert hat auch die Monika, Tochter von Karl Fürnkranz, als er sie einst aufs Brutalste vergewaltigte!
Eine Leiche, ein Verdächtiger, ein Motiv: das Spiel kann beginnen. Gewohnt langsam und bedächtig zieht Simon Polt seine Kreise, hört sich um, schnappt hie und da was auf und kombiniert ein bisserl. Die Verdachtsmomente gegen Karl Fürnkranz verdichten sich zusehends, doch Simon Polt will alles wissen und gräbt tiefer und tiefer.
Simon Polt passt in das karge, fast vergessene Dorf im Weinviertel nahe der tschechischen Grenze. Er ist genauso, wie die Menschen hier eben sind: knorrig, bodenständig, windzerzaust und zäh wie Leder. Er hat wie seine Mitmenschen einen eigenwilligen Gerechtigkeitssinn entwickelt, der jenseits aller Paragraphen weiß, was Recht und Gerechtigkeit ist, die Szenerien wirken deshalb absolut glaubwürdig!
Dass Gendarmerie-Inspektor Simon Polt am Ende diesen Fall löst, ist ebenso unvermeidlich wie selbstverständlich. Doch sein sturer Gerechtigkeitssinn macht ihm diesmal einen Strich durch die Rechnung. Er liefert den Schuldigen nicht an Justitia aus, der diesmal übrigens nicht der Hauptverdächtige ist, soviel sei verraten. Stattdessen nimmt Polt frustriert Abschied vom Polizeidienst. Er geht und lässt seinen neuen Vorgesetzten, den großkotzigen Wichtigtuer Neumann mit einer plausiblen, wenn auch falschen Lösung zurück.
Alfred Komarek beschließt die vierbändige Polt-Reihe mit einem virtuosen, nachdenklichen und absolut spannenden Krimi der Spitzenklasse, in dem es zunehmend menschelt. Polterabend bildet den winterlichen Abschluss im Vierjahreszeiten-Zyklus dieser wunderbaren Krimi-Reihe um Simon Polt, Karin Walter, das Weinviertel und den Menschen die diese Gegend hervorbringt und prägt. Dass es dem Autor gelingt auf die drei voran gegangenen Jahreszeiten-Krimis Polt muß weinen (Frühjahr), Blumen für Polt (Sommer) und Himmel, Polt und Hölle (Herbst) noch locker-flockig einen drauf zu setzen kann schon als sensationell bezeichnet werden, denn die berühmt-berüchtigte Messlatte war hoch!
Schade dass Simon Polt nicht mehr ermittelt, denn die gradlinigen, schnörkellosen, atmosphärisch stimmigen Bücher um diesen kultigen und kauzigen Gendarmen haben, wenn auch auf leisen Sohlen, eine ebenso treue wie große Fangemeinde gefunden. Andererseits findet diese Reihe den Abschluss, den sie verdient hat: Chapeau Herr Komarek! Simon Polt, du wird uns fehlen!
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Fazit: Ein spannender, menschlicher und virtuoser Abschluss der Polt-Reihe!
Wolfgang Gonsch
© 2007 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth