Löwengrube - Die Grandauers und ihre Zeit

1989 - 1992

Regie: Rainer Wolffhardt

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Der nachfolgende Text enthält teils wesentliche Angaben zum Handlungsverlauf dieser familiengeschichtlichen Fernsehserie. Um sich vor Erstsichtung die Spannung zu erhalten, bitte den Abschnitt Episoden überspringen und direkt beim Abschnitt Kritik weiterlesen.

Episoden

Löwengrube Blu-ray Cover
Löwengrube. Blu-ray (2018)

1897 bis 1914 (Folgen 1 bis 4)
1897 heiratet Agnes ihren Ludwig Grandauer in schwarz - schließlich kam ihr Sohn bereits einige Jahre zuvor zur Welt. Dem Leben als Dorfschandi folgt der Umzug nach München. 1913 wird zu einem schicksalshaften Jahr für die ganze Familie. Als kurze Zeit später der Erste Weltkrieg ausbricht, wird der älteste Sohn Karl eingezogen.
Anfangs wirken die Geschichten noch etwas farblos, was sich jedoch schnell ändert. Interessant sind die kleinen, historischen Details am Rande und die beeindruckende Darstellung der Armut in dieser Zeit.

 

1918 bis 1923 (Folgen 5 bis 8)
Karl kehrt aus dem Krieg heim, doch sein Vater Ludwig ist gestorben. Durch dessen guten Kontakt zum Komissär kommt auch Karl zum Polizeidienst. Seine Schester Luise hat den Bäcker Max Kreitmeier geheiratet. Unter den politischen Wirrungen der Weltwirtschaftskrise wird Karls Bruder Adi zum glühenden Verfechter des Nationalismus. In der Tochter eines Musikalienhändlers findet Karl seine große Liebe Traudl Soleder.
Viel Raum wird den politischen Irrungen und Extremen in jener Zeit gegeben. Nicht immer spannend, aber sehr interessant und merkenswert.

 

1929 bis 1933 (Folgen 9 bis 12)
Kurt, Traudls Bruder, heiratet Sarah - eine Jüdin. Karls Bruder Adi (ein Nationalsozialist) zieht sich deshalb von der Familie zurück. Auf den Straßen eskaliert der politische Kampf zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten. Die Polizei steht zwischen den Fronten. Als Hitler zum Reichskanzler gewählt wird, fällt es dem unpolitischen Karl Grandauer immer schwerer seine Ermittlungen korrekt und neutral zu führen. Im Polizeipräsidium etabliert sich die politische Abteilung.
Der Zwiespalt Grandauers zwischen Dienstpflicht, Mitläufertum und starken Gerechtigkeitssinn wird glaubwürdig dargestellt und ist spannend verpackt. Die bisher besten Folgen der Serie.

 

1933 bis 1936 (Folgen 13 bis 16)
Sarah und Kurt bekommen ihr erstes Kind. Sie müssen die zunehmende judenfeindliche Stimmung über sich ergehen lassen. Dann wird der redegewandte und scharfzüngige Kurt von der Gestapo verhaftet. Von einem Sondergericht wird er zu fünf Monaten Haft verurteilt. Als Sarahs Mutter in Berlin stirbt, fährt Traudl zur Beerdigung. Erst die Olympiade 1936 bringt eine (wenn auch nur zeitweilige) Entspannung. Staatsanwalt Adi lernt seine zukünftige Frau kennen und Luise kommt mit Beinbruch ins Krankenhaus.
Bemerkenswert ist die grandiose Darstellung des Blockwartes Uhl, der mit bissigem Zynismus und versteckter Feindseligkeit Sarah verbal attackiert.

 

1936 bis 1939 (Folgen 17 bis 20)
Luise, Karls Schwester, stirbt. Für Max beginnt jetzt eine schwere Zeit und er verfällt zunehmend dem Alkohol. Als die Judenpogrome beginnen kann die Familie nur hilflos reagieren. Georg Elsers Attentat auf Hitler im Bürgerbräukeller schlägt fehl. Kurt und Sarah müssen München verlassen und gehen nach Berlin.
Insgesamt gesehen sind diese Folgen der bisherige Höhepunkt der Serie. So wunderbar spannend und unterhaltsam kann Zeitgeschichte sein!

 

1940 bis 1945 (Folgen 21 bis 24)
Der Zweite Weltkrieg überschattet die Familiengeschichte. Adi ist Soldat in Frankreich und Karls Sohn Rudi ist bei der Hitlerjugend. München wird von Luftangriffen schwer erschüttert. Die Grandauers verlieren ihre Wohnung und kommen bei Max unter. In den letzten Kriegswochen flüchten die "Goldfasane" - hohe Parteifunktionäre. Die Amerikaner besetzen schließlich München, auch die Polizei wird entnazifiziert und Karl darf vorübergehend nicht mehr zum Dienst erscheinen. Als Karl wieder arbeiten darf, muß er den Mord an einem ehemaligen SA-Führer aufklären.
Nachdenklich machende Anti-Kriegs-Folgen. Kriegselend und Wohnungsnot werden gut dargestellt.

 

1946 bis 1950 (Folgen 25 bis 28)
Rudi wird als vermisst gemeldet. Maxi heiratet und wird Vater. Adis Familie ist tot. Mit der Währungsreform verliert das mühsam zusammengesparte Geld seinen Wert. Adi kehrt aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurück.
Ganz außerordentlich ist die Darstellung des zurückkehrenden Adi. Diese Szenen gehören mit zu den besten der gesamten Reihe und bleiben noch lange in Erinnerung.

 

1950 bis 1954 (Folgen 29 bis 32)
Der totgeglaubte Rudi Grandauer taucht überraschend wieder auf. Sein Bruder Maxi hat nur Ärger mit Frau und Schwiegereltern. Auch auch Rudi gerät in die Fänge einer dubiosen Bardame. Die "Tigerbande" hält die Polizei auf Trab und Karl Grandauer wird strafversetzt.
Der Höhepunkt der letzten vier Folgen ist die berührende Heimkehr von Rudi Grandauer. Schön, daß in der letzten Folge "Silvesterball" noch einmal alle Schauspieler auftreten, so fällt der Abschied von den (mittlerweile sehr vertraut gewordenen) Familien Grandauer, Kreitmeier und Soleder leichter.

Jörg Hube
Jörg Hube als Karl Grandauer (Foto mit freundlicher Genehmigung © EuroVideo Medien GmbH. Alle Rechte vorbehalten). DVD und Blu-ray erschienen bei EuroVideo.

Kritik

Unterhaltsame Geschichten, ehrliche Figuren und historische Fakten zeichnen diese vielfach ausgezeichnete zeitgeschichtliche Familienserie aus.
Von 1979 bis 1982 waren im Bayerischen Hörfunkprogramm die »Grandauers und ihre Zeit« zu hören. Geschrieben wurde dieses Hörspiel von dem in München geborenen Willy Purucker (*1925 † 2015). Ob des großen Erfolges der Radioserie, schrieb Purucker auch die Verfilmung für das Fernsehen, die Regisseur Rainer Wolffhardt (*1927 † 2017) episch und höchst erfolgreich umsetzte. Bis dahin arbeitete Purucker für den Bayerischen Rundfunk unter anderem als Regisseur von Hörspielen und als Drehbuchautor einiger »TATORT-Folgen«.

 

Die Familiensaga »Löwengrube - Die Grandauers und ihre Zeit« erzählt ihre Geschichte von der Kaiserzeit über die schrecklichen Jahre des Ersten und Zweiten Weltkriegs bis hin zum neuen Wohlstand in den Fünfziger Jahren. Das Besondere an dieser großartigen Fernsehserie ist der auf verschiedenen Ebenen funktionierende Erzählrhythmus. Zum Einen die Schicksale der Familien Grandauer, Kreitmeier und Soleder - die detaillierte Einblicke in das damalige Leben der einfachen Leute ermöglichen. Eingebettet sind die Familiengeschichten in die Geschehnisse der großen Weltpolitik, die die Familienmitglieder mehr oder weniger schicksalshaft betreffen. Schließlich die Kriminalfälle in der Löwengrube, dem Münchner Polizeipräsidium. Dort wird schnell klar, daß jede Zeit die besten, aber auch die schlechtesten Eigenschaften der Menschen hervorbringen kann.

 

Die schauspielerischen Leistungen bewegen sich dabei meist auf höchstem Niveau. Die bekanntesten Namen sind Jörg Hube (Schauspieler und Kabarettist, *1943 †2009) als Ludwig und ewig grantelnder Karl Grandauer, Christine Neubauer (*1962) als Traudl Grandauer oder die während der Dreharbeiten verstorbenen Sandra White (*1962 †1989) als Agnes Grandauer und Luise Kreitmeier - um nur einige zu nennen. Unvergessen bleibt auch Franziska Stömmer (*1922 †2004) als Adelgunde Soleder als Karl Grandauers Schwiegermutter, deren ständige Mißverständnisse in Gesprächen mit ihrem Schiegersohn einen Running Gag darstellen. Gerade diese überzeugenden Darsteller verhelfen dieser Produktion - trotz der fiktiven Geschichten - zu ihrer großen Glaubwürdigkeit. Durch die oft herrlichen Dialoge (jedes Wort hat hier seine Bedeutung) verleiht Purucker den Personen ihre unnachahmlichen Wesenszüge, die sie so menschlich und authentisch erscheinen lassen. Beispielsweise die biedere Gutmütigkeit des Karl Grandauer oder das ewig ängstliche Zaudern des Deinlein gespielt von Gerd Anthoff (*1946), der aus vielen Fernsehserien wie zum Beispiel »Unter Verdacht« (2002 - 2018) bekannt ist. Genial aufspielend auch Peter Pius Irl (*1944) als der unsympathische Blockwart Uhl oder als der schlitzohrige Metzger-Willy, unvergessen Erich Hallhuber (*1951 †2003), bekannt auch aus »Cafe Meineid« (1990 - 2003).

 

Große geschichtliche Ereignisse verändern zwar das Leben der Familien, aber oft genug sind es die kleinen Dinge des Alltags, die die Menschen in der Löwengrube wirklich interessieren. Heinrich Himmler als Pimpf und Adolf Hitler als Österreicher, der seine Aufenthaltsgenehmigung verlängern muß, sind Randerscheinungen, deren ganze Tragweite lediglich der (heutige) Zuschauer erfassen kann. Dieser Ansatz, deutsche Geschiche auch aus einem völlig anderen Blickwinkel (dem der einfachen Leute) zu sehen, gelingt dank fehlender Effekthascherei hervorragend. Geschichte wird so erfahrbarer und ehrlicher dargestellt, als es vermeintlich realistische Dokumentationen (die oftmals auch nur Klischees bedienen) vermitteln können.

 

Für heutige Sehgewohnheiten sind Schnitt und Kameraführung altmodisch, nimmt sich Drehbuchautor Willy Purucker doch sehr viel Zeit für seine Figuren. Die klassische Trennung in Gut und Böse findet nicht statt, alle Figuren sind ambivalent - selbst der glühende Nationalsozialist Adi Grandauer (Alexander Duda) „hat nichts gegen die (jüdische) Sarah in der eigenen Familie" und man begreift, daß ohne ein willfähriges Volk (das vom Nationalsozialismus anfangs in unterschiedlichsten Bereichen profitieren konnte) kein Drittes Reich möglich gewesen wäre.

 

Die »Löwengrube« wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet: 1990 mit der »TZ-Rose« und dem »AZ-Stern des Jahres«. 1991 unter anderem mit dem Bayerischen Fernsehpreis und dem Goldenen Gong. 1992 mit dem Adolf Grimme Preis in Gold für das Buch von Willy Purucker, der Regie von Rainer Wolffhardt und der darstellerischen Leistungen von Jörg Hube und Christine Neubauer.

 

Fazit: Ein außerordentliches Meisterwerk deutscher Fernsehunterhaltung. Für viele der Darsteller war diese Produktion des Bayerischen Rundfunks ein Höhepunkt ihrer Karriere. 1.770 sehr sehenswerte Minuten mit einem überragenden Jörg Hube.

 

Harald Kloth

5 Sterne
5 von 5

Heimkino

11 Jahre nach der erstmaligen, recht lieblosen, DVD-Veröffentlichung von 2007 bringt Eurovideo die geschichtsträchtige Heimatserie neu gemastered als DVD und Blu-ray (mit einer Laufzeit von 1.170 Minuten). Leider auch wieder ohne jegliches Bonusmaterial wie Audiokommentare, Produktions- oder Schauplatzreportagen oder zeitgeschichtliche Hintergründe.

 

Im HD Keep Case befinden sich die 6 Blu-ray-Discs mit jeweils fünf oder sechs Serienfolgen. Der dazugehörige Schuber wirkt mit vergoldeten Design durchaus edel. Überhaupt ist die Farbgebung auf Verpackung und Discs sehr harmonisch und passt hervorragend zum Inhalt.

 

Format: Blu-ray DVD DVD
Veröffentlichung: 23.08.2018 23.08.2018 10.01.2007
Herausgeber: Eurovideo Eurovideo Komplett-Media
Anzahl: 6 Blu-ray-Discs in Komplettbox 8 DVDs in Komplettbox 8 DVDs in Komplettbox oder Einzeln *
Extras: Kein Bonusmaterial Kein Bonusmaterial Kein Bonusmaterial
Hinweis: Digital remastered Digital remastered -

* Fast identische DVD-Cover (die Neubauer spielte in den ersten Folgen noch gar nicht mit) oder die Bilder passen teils nicht zu den Folgen.

Weblinks

  © 2005 - 2018 Harald Kloth

Bildrechte: Blu-ray Cover mit freundlicher Genehmigung EuroVideo Medien GmbH

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