Auf der Titelseite des neuen Romans des berühmten Schriftstellers Paulo Coelho steht das magische, faszinierende und rätselhafte Wort: Der Zahir. Wer oder was ist der Zahir?
Neugierig fängt man an, das Buch zu lesen, und mit den ersten Seiten gerät man in die Welt eines Mannes, der ein bekannter Autor ist, wie halt auch Coelho selbst. Ja, er ist reich, berühmt, frei und unabhängig, hat ein schönes, sorgenloses Leben mit seiner Ehefrau Bis zu dem Tag, an dem sie, die Kriegskorrespondentin unter mysteriösen Umständen verschwindet. Nun ist er erst überrascht und versucht pragmatisch zu denken. Sicher ist es kein Problem, jemanden zu finden, der sie ersetzt, das Leben muss ja weiter gehen. Dann ist er aber entsetzt, beginnt über sein eigenes Leben und über das Leben mit Esther, seiner Frau, nachzudenken. Wurde sie entführt, in einen Hinterhalt gelockt, hat sie einen anderen Mann getroffen? Was würde den Bruch einer zehnjährigen Ehe rechtfertigen?
Der Mann muss sich gestehen, dass sein Leben ohne Esther plötzlich keinen Sinn mehr hat, und er sie unbedingt finden muss. Der Autor nimmt den Leser auf eine ergreifende Suche mit und schon ist der Leser mitten drin in seinem spirituellen Philosophieren über lebenswichtige Dinge wie Freiheit, Treue und Glück.
Während dieser Suche, welche eigentlich eine Suche nach sich selbst und nach dem Sinn des Lebens ist, erscheint der Zahir. Der Zahir ist Esther. Oder eher die Sehnsucht des Herzens nach Liebe. Das kann ein Abstieg in die Hölle sein, aber auch eine Offenbarung. Er begreift, dass sie, Esther, der einzige Grund ist, weshalb er am Leben ist, und dass er sie mehr liebt als sich selbst. Dieser Zustand und diese Tatsache sind das einzig Wichtige und Richtige in seinem Dasein.
Benommen denkt der Schriftsteller an ein Gegengift, etwas, das ihn davor bewahren kann, zu verzweifeln. Aber eine neue Freundin, die einfühlsame und hilfsbereite Marie, bringt auch keine Lösung. Er muss den allmächtigen Zahir annehmen, um durch ihn zu erfahren, dass er zu einer Liebe fähig ist, die er vorher nicht kannte. Dies empfindet er als Gnade.
Nach abenteuerlichem, gefährlichem und langem Suchen findet er mit Hilfe des in Paris lebenden Kasachen Mikhail seine Esther in der kasachischen Steppe, wo sie Teppiche webt und Französisch unterrichtet. Ihretwegen legte er diesen mühsamen Weg zurück und eigentlich war der Weg das Ziel.
Paulo Coelho hat mit Der Zahir seine wunderbare, klare und emotionale Sprache mühelos in Sätze gefasst. Die Hauptperson, der Ich-Erzähler, hat mit seinen Schilderungen aus dem Schriftstellerleben viel gemeinsam mit dem Autor des Buches. Man gewinnt Einblick in das oft verborgene Leben eines freischaffenden Schreibers. Aber in diesem Roman steckt viel mehr.
Man liest aufmerksam und angespannt jede Seite, jeden Satz. Die Geschichte kommt einem manchmal wie ein Märchen vor. Ist das Leben aber nicht das schönste Märchen, in dem wir selber vorkommen?
Fazit: Ein wunderbarer Roman voller Leichtigkeit, Dankbarkeit, Traurigkeit und Glück.
Ludmila Hück
© 2005 Ludmila Hück, Harald Kloth