Wibke Bruhns

Meines Vaters Land

Geschichte einer deutschen Familie

Die Fernsehansagerin und Journalistin Wibke Bruhns macht mit ihrem Buch so manches Unfassbare über das Dritte Reich ein wenig verständlicher. Sie versucht klar zu machen, dass viele die Wahrheit zu spät begriffen haben oder sich dem Druck beugen mussten, um zu überleben.

 

Diese Erkenntnis gewann die Autorin während ihrer dreijährigen Recherchen über ihren Vater Hans-Georg Klamroth, der als Hochverräter und Mitwisser des Hitler-Attentats 1944 erhängt wurde. Sie berichtet jedoch ebenso von der Zeit als ihr Vater noch ein Nazi war und dieser der Katastrophe gewahr wurde die auf Deutschland unvermeidlich zurollte.

 

Sie erzählt ebenso von ihrer Mutter Else - einer Mutter von fünf Kindern und einem Phänomen im Beschaffen aller Dinge, die es im Krieg nicht gab. Gleichwohl verschweigt sie die Stasi-Zugehörigkeit ihrer geliebten Mutter nicht.

 

Trotz Wibke Bruhns ausgefeilter Sprache gehen die geschilderten Schicksale einem unter die Haut; sie versucht manches zu relativieren ohne irgendetwas zu beschönigen. In diesem autobiographischem Buch erfährt man eigentlich nichts neues aber die Wahrheit berührt einen doch immer wieder.

 

Fazit:  Dieses Buch ist eine reine Dokumentation über das Dritte Reich und ein Sittenbild dieser Zeit. Ihre Familie steht stellvertretend für alle europäischen Bürgerfamilien jener Epoche. Voll Bitterkeit und doch satirisch-witzig ist die Erzählung über ihre Schwester Ursula als Fräulein Kükenbraut und dem Stahlhelm der den Bräutigam ersetzte.

 

Wolfgang Gonsch

3/4 Sterne
3/4 von 5

Will nicht einmal im Leben jeder doch plötzlich wissen, wo er herkommt und wo er hingehört, wer seine Vorfahren sind, wie sie gelebt haben? Will man sich nicht ein Bild von seiner Generation im Nazikrieg machen und sich mit der Zeitgeschichte auseinander setzen? Ist das nicht das ewige "Warum?", das die deutsche Generation auch nach einem halben Jahrhundert immer noch bedrängt?

 

Man sagt, die Menschen seien nicht mehr an Geschichte interessiert. Wie kann es dann sein, dass ein mächtiges Verlangen nach Wissen über die Vergangenheit das Gegenteil beweist und die Zeit des Nationalsozialismus immer noch ein Thema ist?

 

Die populäre Fernsehjournalistin Wibke Bruhns präsentierte seit 1971 als erste Frau die "heute"-Nachrichten und arbeitete später unter anderem als "Stern"-Korrespondentin in Israel und in den Vereinigten Staaten von Amerika und war Kulturchefin des Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB). Eines Tages sieht sie in einem Dokumentarfilm über den Prozess gegen die Verschwörer des 20. Juli ihren Vater, Hans Georg Klamroth, den sie im Buch HG nennt, vor dem Volksgerichtshof. Ein paar Tage später wird er wegen Hoch- und Landesverrat hingerichtet. Die Tochter ist fassungslos. Und sie fängt an über ihren Vater und ihre Familie zu recherchieren.

 

Briefe, Tagebücher, Notizen, ja fast ein Familienarchiv stehen ihr zur Verfügung. Diese Recherche hat die ausgebildete Journalistin brillant gemacht und schildert nicht nur ausführlich das Leben ihrer Familie und die Atmosphäre in den Jahren vom 1. bis zum 2. Weltkrieg, sondern stellt auch ein politisches Bild Deutschlands zur Nazizeit dar.

 

Die Autorin zeigt ein großartiges Gefühl für die Zeitgeschichte und es gelingt ihr ganz gut, sachlich und gleichzeitig sehr persönlich und emotional zu schreiben, was für ihre hohe Professionalität als Journalistin spricht. Ihr gelingt es, verständlich zu machen, wie ihre Elterngeneration mit ihrer patriotischen Einstellung in den Sog des Nationalsozialismus geriet und wie sie in seine Unmenschlichkeit verstrickt wurde.

 

Das ist ein dicht geschriebenes Buch mit vielen Namen, Daten, Fakten aus dem Leben der Familie, die der Leser vielleicht am Ende des Buches nicht mehr weiß. Was er aber mit Sicherheit mitnimmt - wenn auch die letzte Seite umgeblättert ist - sind viel wichtigere Sachen: Betroffenheit, Sehnsucht nach eigene Geschichte, Traurigkeit, Liebe und Nachdenken, die beeindrucken.

 

Fazit: Mit diesem Buch gelingt Wibke Bruhns ein Stück bewegender Literatur und ein unvergesslicher Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung. Eine überragende Leistung, eine erschütternde, traurige, wunderbar kluge, und wichtige Lektüre.

 

Ludmila Hück

4/5 Sterne
4/5 von 5

© 2004/2005 Wolfgang Gonsch, Ludmila Hück, Harald Kloth