Dan Brown

Inferno

Thriller

DAS groß angekündigte Buchereignis des Jahres beginnt gleich mit einem Zitat aus Dante Alighieris Göttlicher Komödie: „Die heißesten Orte der Hölle sind reserviert für jene, die in Zeiten moralischer Krisen nicht Partei ergreifen.“ Es manifestiert gleich zu Beginn den Grundtenor des vierten Abenteuers von Symbolforscher Professor Robert Langdon, das sich dieses Mal weniger um die Katholische Kirche als vielmehr um die transhumanistische Theorie dreht. Vertreten wird diese Theorie durch den Schweizer Genforscher und Milliardär Bertrand Zobrist. Ein Visionär? Oder gar ein Fanatiker? Zobrist will dieser humanen Selbstzerstörung Einhalt gebieten und springt zu Beginn des Buches gleich mal von einem Turm herunter. Was hat er vor? Und bleibt er der einzige Gegenspieler Langdons?

 

Zu Beginn befindet sich Langdon nicht in seinem eigentlichen Metier, denn wichtige Hinweise der bevorstehenden teuflischen Schnitzeljagd sind in Meisterwerken von Sandro Botticelli und Giorgio Vasari versteckt. Weibliche Unterstützung auf seiner abenteuerlichen Reise von Florenz über Venedig nach Istanbul erhält er überraschender Weise auch in dieser Geschichte: Dr. Sienna Brooks: natürlich jung, selbstverständlich gutaussehend und mit einem IQ von 208 ausgestattet. Doch warum wacht er in einem Krankenhaus fern seiner Heimat in Florenz auf? Und was hat es mit seiner merkwürdigen Vision mit der grauhaarigen Frau auf sich? Als dann auch noch eine Attentäterin versucht ihn im Krankenbett zu erschießen und Sienna Brooks ihm bei der Flucht aus dem Krankenhaus hilft ist seine Verwirrung endgültig komplett.

 

Doch ist auch alles so, wie es scheint? Langdons einziger Anhaltspunkt ist ein mit einem dreiköpfigen Satan verzierter Farraday-Pointer. In einem Teströhrchen mit Biohazard-Siegel versteckt, war er in sein Jackett eingenäht – die Hatz kann beginnen!

 

In gewohnter Art und Weise hetzt Dan Brown seine Hauptfigur und die junge Frau an seiner Seite wieder von einem Rätsel zum nächsten, und wenn sie vor schwarz gekleideten Soldaten fliehen, kommt ihnen – o welch Glück aber auch - so manches Mal ein sich plötzlich auftuender Geheimgang zu Hilfe. Fast beiläufig und trocken streut der Autor zudem Fakten zu Florenz, den Medici oder bekannten Plätzen und Schätzen der Stadt ein. Schade, dass sich der Autor hier doch zu oft in Details und Nebenschauplätzen verliert. Gerade in der Mitte dieser fast 700seitigen Odyssee verliert der gesamte Plot dadurch zu sehr an Spannung. Erst als Langdon – immer noch an Amnesie leidend – in Venedig eintrifft, gewinnt die Handlung wieder etwas an Fahrt.

 

Ab diesem Zeitpunkt hat Dan Brown seine Leserschaft wieder einigermaßen am Haken und lässt sie mitfiebern, bangen und hoffen. Doch selbst hier wären ein paar Fakten und Daten weniger zum Markusplatz oder zur Hagia Sophia mehr gewesen. Gekonnt eingeflochten sind einige Anspielungen auf das zentrale Werk der Handlung, Dantes „Göttliche Komödie“ in Langdons Jagd nach der Wahrheit – aber auch dieser literarische Kunstgriff wird zu inflationär angewendet.

 

Ich habe mich auf diesen vierten Dan Brown wirklich gefreut, leider war meine Enttäuschung dann umso größer: Warum wird aus Dantes „Göttlicher Komödie“ immer und immer wieder zitiert, aber ergibt in den allermeisten Fällen kein Sinn mit dem Geschehen? Der gesamte Verlauf ist so dermaßen vorhersehbar, dass die Leserschaft viel zu früh weiß, wer auf welcher Seite steht. Dazu agieren die Protagonisten zu oft völlig unrealistisch und überzogen. Inferno ist als Ganzes noch amerikanischer als all seine Vorgänger zusammen: Der amerikanische Held gegen die vereinigten Deppen Europas.

 

Fazit: Schade - ums Geld und um die Zeit!

 

Wolfgang Gonsch

2 Sterne
2 von 5

© 2013 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth