Die ehemalige Prostituierte Lulu wird eines Novembermorgens ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden. Erschossen aus unmittelbarer Nähe. Es ist klar, das wird ein Fall für den bekannten Kommissar Maigret. Er muss an die Sache ran.
Ziemlich schnell stellt sich heraus, dass die junge Frau sich oft mit einem Musiker traf. Aber der ist seit der Mordnacht spurlos verschwunden. Eindeutig war er ihr Liebhaber. Verdächtig ist nur die Tatsache, dass jemand für die teure Wohnung der Ermordeten in einem schicken Haus zahlt. Mit Sicherheit nicht der Musiker, denn er selbst hat kein Geld. In den Ermittlungen Maigrets taucht plötzlich der renommierte Chirurg Professor Gouin auf, der denn auch zum Hauptverdächtigen wird. Als Lulu sehr krank gewesen war, hat der Professor sie operiert und ihr praktisch das Leben gerettet. Natürlich war sie ihm dankbar, sah aber auch in einer Beziehung mit ihm einen Ausweg aus der Misere, in der sie als Prostituierte lebte.
Der Chirurg ist wirklich ein außergewöhnlicher Mensch, ein Genie auf dem Gebiet der Medizin, ein fleißiger, begabter, hingebungsvoller Arzt, der alles für seine Patienten tut, vor allem für die Armen, da er auch aus einfachen Verhältnissen kommt und nur durch Talent, Fleiß und Ausdauer in die höhere Gesellschaftsschicht aufgestiegen ist. Seine Arbeit bedeutet für ihn alles. Er hat aber eine Leidenschaft- Frauen. Er tut nichts, um sie zu verführen. Sie sind nur Werkzeuge, derer er sich bedient, um sich körperlich zu entspannen. Das Paradoxe dabei ist: Keine der Frauen nimmt ihm diesen Zynismus übel. Die Ehefrau weiß Bescheid und duldet die Situation.
Nach der Obduktion der Leiche erfährt Maigret, dass die junge Frau schwanger war. Ist das der Grund, warum sie sterben musste?
Eine banale, aber gut und spannend geschriebene Geschichte. Und das ist die Besonderheit an Simenons Büchern: Das Leben einfacher Menschen, ihren Alltag so zu schildern, dass es nachvollziehbar, nah und sogar ein wenig romantisch wirkt. Man spürt immer, auf welcher Seite der Autor steht. Im Mittelpunkt des symphatischen Kommissars Maigret steht immer ein wahres Interesse am Menschen und an seinen zwischenmenschlichen Beziehungen, wie sie im wirklichen Leben vorkommen.
Fazit: Wenn auch alles im Buch an einem grauen Novembermorgen passiert, lohnt es schon, diesen Roman zu lesen. Denn wenn man mit der Geschichte fertig ist, die letzte Seite zumacht, den Kopf hebt und den Blick in die Ferne richtet, sieht man, dass es Frühling ist und die Natur macht was sie eigentlich machen soll: Sie grünt! So ist das Leben!
Ludmila Hück
© 2005 Ludmila Hück, Harald Kloth