Petra Bartoli y Eckert

Glückssachen

Roman

 

Hält man ein neues Buch in der Hand, kommt unwillkürlich der Gedanke, was ist ein Erfolgsgeheimnis eines Buches? Ist es eine neuartige Sichtweise, oder sind es neue Gedanken, neue Perspektiven, die uns aufwühlen, anregen und dazu veranlassen, bekannte Dinge und unsere Haltungen einmal anders zu sehen? Sind Zufriedenheit, Erfolg und Liebe die Glückssachen, die bezeugen, ein erfülltes und dichtes Leben zu haben? Genau das sind die Themen im ersten Roman von Petra Bartoli y Eckert.

 

Der Roman gehört eindeutig zur Gattung des Frauenromans, denn im Mittelpunkt stehen zwei Frauen aus verschiedenen Generationen mit ihren Erfahrungen, Problemen und Erlebnissen. Das sind Susanne von Heute und ihre Großmutter Maria von Gestern, deren unterschiedliche und doch so nahe Welten auf einander treffen.

 

Zimmer 112 im Pflegeheim „Sonnenblick“, graue Stimmung, schwere Luft und eine reglose Frau auf dem Bett, die nur noch die Vergangenheit im Kopf hat, die Gegenwart dringt nicht mehr durch in ihr Bewusstsein, geschweige denn die Zukunft, sie findet ohne sie statt. Die Gegenwart ist ihre Enkelin Susanne, die die alte Frau jeden Freitag besucht. Susanne ist eine junge Frau, verheiratet und hat eine Tochter namens Lotte.

 

Für Susanne ist es schwierig, die geliebte Oma in diesem Zustand zu erleben. Sie war doch früher so lebendig, so präsent, mit ihr hat sie erzählt, gestritten, geweint und gelacht. Alles vorbei. Hier an ihrem Krankenbett erinnert sie sich an Omas Geschichten aus ihrem nicht immer glücklichen Leben von früher. Maria musste schon als Kind schwer auf einem Bauernhof arbeiten. Geheiratet wurde mehr aus Not als aus Liebe. Dann brach der Krieg aus. Ihr Mann kam zwar zurück, doch war er ein seelisches Wrack und keine Hilfe in der schweren Nachkriegszeit.

 

Und was ist mit Susanne? Ihr Leben heute ist mechanisch, wie einstudiert und langweilig. Es bleibt keine Zeit für schöne Dinge in ihrem Leben, die sie zum Lachen bringen, die sie freudig und glücklich machen. Was prägt ihr Leben? Ist sie Putzfrau der Familie, durchblutete Gummipuppe des Ehemannes, der Taxidienst ihrer Tochter?

 

Wann sind Glück und Zufriedenheit auf der Strecke geblieben und wann haben Banalität, Verdruss und eine gewisse Traurigkeit immer mehr Platz in ihrem Leben eingenommen? Das kann doch nicht ihr Leben gewesen sein? Da werden wohl viele Leserinnen entdecken, sich diese Fragen mindestens auch einmal gestellt zu haben.

 

Susanne fängt an, intensiv über das Schicksal, die Welt ihrer Großmutter Maria und über ihr eigenes Leben nachzudenken. Sie spricht über ihre Familie, sie schüttet ihre Sorgen aus und diese Gespräche, die eigentlich Monologe sind, werden plötzlich wichtig und notwendig für sie. Die Oma wird zu ihrer Zuhörerin, ihrer Verbündeten, ohne etwas davon mitzubekommen.

 

Die Gedanken an das Leben der Großmutter inspirieren Susanne, ihr Leben umzudenken, neu anzufangen und den Weg zu ihrem Glück zu finden. Ihr Leben verändert sich, wird bewegter, spannender und anstrengender. Sie fängt an, ihr Leben als Geschenk zu betrachten und sich selbst und ihren Platz im Leben zu schätzen.

 

Eine wohl auf den ersten Blick banale Geschichte entwickelt sich zu einem interessanten Wettlauf mit der Zeit, mit dem Suchen nach dem Sinn des Lebens. Man hat das Gefühl, die Autorin weiß sehr gut, wovon sie schreibt.

 

Ihr gelingt es, durch Zeitsprünge und Perspektivänderungen eine gewisse Spannung in der Handlung zu schaffen, die Parallelen im Leben beider Frauen zum Ausdruck zu bringen und zu zeigen, dass das ewige Streben nach menschlichem Glück zu allen Zeiten der Inhalt und der Sinn menschlichen Daseins ist. Aber es ist eigentlich keine Glückssache, man muss schon selbst die Dinge in die Hand nehmen und das eigene Schicksal gestalten.

 

Es handelt sich in diesem Buch um eine innere Identität, um eine unvermeidliche Prägung durch die eigenen Wurzeln. So ist das Thema des Buches zeitlos, nüchtern und realistisch. Die Sprache erscheint flüssig, emotional und natürlich. Der Roman regt zum Nachdenken an und ist mit viel Herz und Mut geschrieben.

 

Es tauchen im Roman auffällig viele Fragen auf, die gar nicht beantwortet werden können in einem ca. 160seitigen Buch. Die meisten davon muss wohl der Leser selbst für sich beantworten.

 

Fazit: Wenn auch dieser Roman sehr an die Bücher von Susanna Tamaro erinnert, werden die Fans der italienischen Schriftstellerin sich freuen, auch im deutschsprachigen Raum eine gute Autorin gefunden zu haben. Man möchte der jungen Schriftstellerin wünschen, weiterhin Inspiration zu finden, die Lust am Wort nicht zu verlieren und zum weiter schreiben ermutigen. Eine Glückssache?

 

Ludmila Hück

4 Sterne
4 von 5

© 2008 Ludmila Hück, Harald Kloth