Carson McCullers

Frankie

Roman

Zürich ; Diogenes ; 1974 ; 158 Seiten ; ISBN: 3-257-20145-1

 

"Frankie" ist die Geschichte eines Reifeprozesses und einer großen Sehnsucht. Es ist die Sehnsucht eines heranwachsenden Mädchens "dabei" zu sein. Dabei zu sein im Leben der Erwachsenen, im speziellen Falle auf der Hochzeit ihres geliebten großen Bruders, der unbegreiflicherweise von einer fremden, nicht einmal viel älteren Frau "entführt" wird. Frankies Schrei, der ungehört dem abreisenden Paar nachhallt, ist der Ruf des verzweifelten "Nehmt mich mit!", den jedes alleingelassene Kind, jeder Teenager aber auch viele Erwachsene kennen. Die Story spielt in einem verschlafenen Provinznest in Georgia, ist jedoch genauso orts- wie zeitlos.

 

Carson McCullers macht sich Einsamkeit und Außenseitertum zum Thema; sie verarbeitet sie einfallsreich und in einer verblüffenden Vielfalt an Variationen vor einer sommerlich durchglühten Kulisse. Die Autorin macht uns darauf aufmerksam, dass wir etwas übersehen haben, was ganz offenkundig vorhanden ist. Irgendwie steckt "es" in jedem von uns, dieser Drang nach Freiheit und Selbständigkeit aber auch die Sehnsucht nach Geborgenheit und Liebe.

 

Äußerst autobiographisch, sucht man in diesem Werk vergebens nach Höhepunkten, Spannung oder gar Dramatik. Die Autorin versteht es mit verblüffendem Gleichmut die alltägliche Monotonie und Langeweile die aus dem immer gleichen Tagesabläufen erwächst zu einer wie auch immer gearteten Kunstform zu erheben. Der allergrößte Teil des Romans ist nur Vorbereitung auf den dritten, dreißigseitigen "Hauptteil", auf den sich die eigentliche Handlung konzentriert.

 

"Frankie" ist eine Geschichte der leisen Töne, die in der Hauptsache äußerst schleppend verläuft; wer jedoch Durchhaltevermögen beweist und sich durch die anscheinende Langatmigkeit nicht vom Leseziel abbringen lässt kommt bei diesem etwas "schwierigen" Werk vielleicht doch auf seine Kosten.

 

Passend zum schleppenden Schreibstil publiziert Diogenes dieses Werk in absatzlosem, einschläfernd wirkendem Kleindruck. Die schon als brutal zu bezeichnende "Enge" macht dieses Werk zu einer einzigen Herausforderung. Die Art der Veröffentlichung unterstützt den Eindruck von Monotonie und Langeweile. Sie beginnt bereits mit der Betrachtung des Covers: Room in Brooklyn von Edward Hopper verbindet die Thematik dieses Bandes in selten gelungener Harmonie von Text und Bild.

 

Fazit: Nur für Leser mit Durchhaltevermögen.

 

Wolfgang Gonsch

4 Sterne
4 von 5

© 2003 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth