Zürich ; Diogenes-Verlag ; 2006 ; ISBN 978-3-257-80030-2 ; 1 CD ; 52 Minuten
Bereits der Untertitel - hinterhältige Weihnachtsgeschichten schiebt uns weg von den üblichen, gefühlsbetonten Erzählungen rund um die sogenannte staade Zeit mit den ewigen happy-ends und weist uns eher auf Kurzgeschichten voller Ironie hin.
Die Auswahl der hier zu Gehör gebrachten Geschichten erscheint auf den ersten Blick völlig willkürlich und doch ist bei allen dreien der geheime und gnadenlose Drang zu spüren, dem alljährlichen Weihnachts-Wahnsinn zu entkommen: so flüchtet in Doris Dörries Geschichte "Spekulatius" (gelesen von Anna König) eine frustrierte 40jährige Frau vor dem ganzen Weihnachtstrubel in die 50 Grad heiße kalifornische Wüste, nur um dort mit einer deutschen Auswanderin eben diese Spekulatius zu backen und für diese die Weihnachtsfrau zu spielen.
In Martin Suters "Die Weihnachtsfrage" (gelesen vom Autor selbst) versuchen ein Topmanager und dessen Kumpane Weihnachten einfach zu ignorieren zumindest tun sie alle so um sich doch wieder am 23. Dezember in den alljährlichen Geschenkmarathon zu stürzen und eben all jenen Szenengängern über den Weg zu laufen, die sich ebenfalls für ganz coole Weihnachtsignoranten ausgegeben haben.
Bei der Weinheimer Live-Lesung "Ein milder Stern" hernieder lacht von Ingrid Noll schließlich versucht eine Domina ihren Beruf an den vielzitierten Nagel zu hängen was selbstverständlich nicht ganz so einfach ist wie man zu meinen glaubt und sich dann auch noch ins Gegenteil verkehrt!
Die beiden Autorinnen und Martin Suter an sich bürgen normalerweise für schriftstellerische Qualität mit ihrer unterhaltsamen, ironischen und meist auch nachdenklichen Unterhaltung. Doch in diesen drei Lesungen springt der berühmte Funken einfach nicht über, zu sehr wird das geschriebene Wort einfach herunter gerasselt bzw. gefühllos vorgetragen!
Am ehesten kann uns noch die Dichterlesung von Ingrid Noll halbwegs in den Bann ziehen; Anna Königs Lesung von Doris Dörries "Spekulatius" fehlt dagegen jegliches Leben. Auch der ansonsten stilistisch so brillante Martin Suter kann uns trotz seines angenehmen schweizerisch nicht für die vor sich hin köchelnde Geschichte aus der vorweihnachtlichen Welt des Managements erwärmen!
Lieber zum gleichnamigen Buch "Früher war mehr Lametta" greifen.
Fazit: Weihnachtsgeschichten mehr aber auf keinen Fall!
Wolfgang Gonsch
© 2006 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth