Wirklich überraschend kommt die lyrische Premiere von Hugo Loetscher nicht, sind in seinen Romanen, Erzählungen, Essays, Glossen und Reportagen schon hie und da wunderbare lyrische Stellen zu entdecken.
So verwundert uns vielleicht einzig die Tatsache des relativ späten Outings: Es mussten 70 Jahre vergehen ehe er seinen ersten lyrischen Band veröffentlichte - und das warten hat sich wahrlich gelohnt!
In seinem frühen Roman Die Kranzflechterin oder in der brasilianischen Wunderwelt, ja sogar in seinen jüngst gesammelt erschienenen Essays begegnen einem immer wieder hinreißende poetische Miniaturen, die vermuten lassen, dass der sich in vielen literarischen Ecken beheimatete Schriftsteller auch an Gedichten versuchen würde.
Seine Gedichte bauen sich zu meisterhaften Bildkompositionen auf, die den Autor als geduldigen und hellwachen Beobachter ausweisen. Kraftvolle und melancholische Poesie, liebevolle Miniaturen, imaginäre Gemälde - der Autor stürzt uns in ein lyrisches Wechselbad der Gefühle.
Besonders beeindruckt der Gedicht-Zyklus Es war einmal die Welt, dem dieser Band auch seinem Namen verdankt. Das oftmals totgeschwiegene Thema Tod findet hier seine Darstellung und literarische Aufarbeitung in vollendeter Lyrik.
Fazit: Kraftvoll und melancholisch - meisterhafte Gedichte.
Wolfgang Gonsch
© 2004 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth