Wilhelm Genazino

Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman

In seinem neuesten Werk beschreibt Wilhelm Genazino in wundervoller, leicht wirkender Ironie das Doppelleben eines vom Gymnasium geflogenen 17jährigen. Dessen Mutter schleppt in von einer Lehrstellenbewerbung zur anderen und vergleicht in sogar mit Ferdinand Sauerbruch; dieser war schließlich auch ein schlechter Schüler und hat es zu etwas gebracht!


Doch Brauereien, Süßwarenfabriken, Gartenbaubetriebe oder Reifenfabriken sind für einen lethargischen, dahinstolpernden Tagträumer ein wahrer Alptraum. Er hat nur eines im Kopf: Literatur! Schließlich kommt er als kaufmännischer Lehrling bei einer Spedition unter. Just zu diesem Zeitpunkt druckt der Tagesanzeiger endlich einen seiner vielen Artikel ab.


Es beginnt ein wunderbares und turbulentes Doppelleben: tagsüber Lehrling, abends und nachts schreibt er kleine Artikel für eine Tageszeitung und einige Magazine. Als auch noch Frauen in seinem Leben eine Rolle zu spielen beginnen und ihm die Stelle eines Redakteurs angeboten wird, verwirrt es diesen Tagträumer vollends.


Er lebt in seiner fiktiven Welt voller Literatur und sucht in der Welt der Wichtigtuer seinen Anteil an der Überheblichkeit des Schreibens und der Schreibenden. Der Reifeprozess zum Voyeur des Alltäglichen beginnt, seine Visionen aber bleiben so profan wie menschlich: "Eine Frau finden, eine Wohnung sein eigen nennen, einen Roman schreiben."


Mit diesem Buch gelingt dem Autor eine pointenreiche Abhandlung über "das Schreiben" und "die Literatur", verpackt in einen witzigen, ironischen Plot; slapstickartige Alltagsbegebenheiten der heranwachsenden 68er-Generation vermischt mit Kurzbiographien deutscher Literaten.

Ein leicht und flüssig zu lesender Entwicklungsroman gewürzt mit wundervoller Situationskomik über die Verlockungen der Literatur und das Erwachsenwerden mit "open end".


So hält sich Wilhelm Genazino die Option für eine (hoffentlich folgende) Fortsetzung offen.


Fazit: Witzig und ironisch.


Wolfgang Gonsch

4/5 Sterne
4/5 von 5

© 2003 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth