Jeder, der seinen Sommerurlaub im italienischen Veneto verbringt, kennt diese fast unerträgliche, stickige Hitze, die einem zu Kopf steigt und alles lahm legt, bei der man sich nichts anderes, als einen Eimer kalten Wassers über den Kopf wünscht.
Genauso erwischt das Elend des Augusts Commissario Brunetti in Venedig. Wie furchtbar gern würde er seinen Urlaub mit der Familie in den Bergen in Südtirol verbringen und wie die meisten Venezianer dieser erbarmungslosen Hitze entfliehen. Es scheint auch das Verbrechen eine Sommerpause eingelegt zu haben, als ob eine Art Abkommen geschlossen worden sei, in dieser heißen Zeit die Leute einfach in Ruhe zu lassen. Doch diese Ruhe wird dem Commissario nicht gegönnt, denn es hat nur den Anschein, dass das Verbrechen auch mal eine Sommerpause macht.
Eines Tages bekommt Brunetti in seinem Büro in der Questura einen Besuch von Freund Brusca aus dem Rathaus. Es handelt sich bei diesem Besuch nicht um eine freundschaftliche Geste. Brusca hat Dokumente dabei, die eindeutig ein Muster erkennen lassen, wie Gerichtstermine ohne echten Grund mehrmals vertagt oder verschoben wurden, wobei eine Partei wesentliche Vorteile daraus ziehen konnte. Die meisten dieser Fälle waren derselben Richterin zugeteilt. Auch der Justizangestellte, der dafür zu sorgen hat, dass Akten termingerecht bearbeitet und weiter geleitet werden, war immer der gleiche. Es ist Araldo Fontana. Ist es Korruptheit der Justiz, geht es um Liebe oder um Geld, oder gar um skandalösen Sex? Könnte Brunetti vielleicht inoffiziell ermitteln und gegebenenfalls auch was dagegen unternehmen? Klar ist das ein Fall für den Commissario, nun muss er sich wieder mit Treu und Glauben befassen.
Auch Ispettore Vianello, der langjährige Kollege Brunettis ist besorgt um seine Lieblingstante Anita. Diese interessiert sich seit langem für nichts anderes mehr als für Horoskope und lauscht gebannt Kartenlegern und Wahrsagern, die behaupten, alle menschlichen Probleme lösen zu können. Die Welt scheint voll bevölkert zu sein mit solchen Scharlatanen als Konkurrenz zur Staatsreligion. Beunruhigt ist nicht nur Vianello, sondern seine ganze Familie, denn Zia Anita benimmt sich heimlichtuerisch, und vor allem hebt sie ihr Geld vom Konto ab und keiner weiß, was sie damit macht. So ist es selbstverständlich, dass Brunetti um einen Rat gefragt wird.
Aber diese Sachen eilen wohl nicht so sehr, und schon reist Brunetti mit Paola und den Kindern nach Südtirol. Doch weit kommt er nicht, sein telefonino läutet, ein Mord ist geschehen und vorbei ist`s mit dem Urlaub, er muss zurück in die Lagunenstadt. Araldo Fontana wurde, passend zu Venedig, mit einer Marmorkopie eines byzantinischen Löwen brutal erschlagen. Brunetti ermittelt und es stellt sich heraus, dass Fontana ein Doppelleben geführt hat. Er war schwul und konnte sich die Wohnung in einem Palazzo eigentlich gar nicht leisten. Die Angaben eines Zeugenpaares sind widersprüchlich; wissen sie mehr, als beide angeben?
Donna Leon bleibt sich auch mit dieser Geschichte treu. Es gibt zwar genug Material, aber Brunetti hat praktisch nichts in der Hand, um Anklage gegen den mutmaßlichen Mörder zu erheben, soweit wird es wohl wieder nicht kommen. Auch im Fall von Zia Anita stirbt eine wichtige Zeugin, ohne ihre Aussage gemacht zu machen und der Scharlatan verschwindet spurlos.
Donna Leon begeistert den Leser durch ihre Fähigkeit, eine Stadt, die Menschen und ihr Leben in schonungsloser Realität darzustellen. Das hat einfach Klasse. Nicht zu vergessen Commissario Brunetti, den der Leser bewundert und liebt für seine Menschlichkeit und die Hoffnung, alles könnte sich doch noch zum Guten wenden und die Gerechtigkeit siegen. Danke für dieses herrliche und so widersprüchliche Venedig, Signora Leon. Spricht man da nicht von einer talentierten Feder?
Fazit: Leon schafft wieder eine bewundernswerte Atmosphäre!
Ludmila Hück
© 2011 Ludmila Hück, Harald Kloth