Walter Laqueur

Gesichter des Antisemitismus

Von den Anfängen bis heute

 

Vom vormodernen über den rassistischen bis hin zum neuen Antisemitismus reicht das Spektrum dieses eindrucksvollen historischen Essays. Walter Laqueur ist selbst Betroffener: 1921 als Jude in Breslau zur Welt gekommen, emigrierte er 1938 nach Palästina. Er ist einer der letzten Überlebenden jener Generation, die den mörderischen Antisemitismus der Nazis miterleben mussten. Als Historiker war er 30 Jahre lang Direktor der führenden Einrichtung zur Erforschung dies Antisemitismus: der Wiener Library of London.

 

Eine einseitige Erklärung für den Antisemitismus lehnt der Autor gleich zu Beginn kategorisch ab; er kommt vielmehr zu dem Ergebnis, dass in verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten unterschiedliche Faktoren im Spiel waren: religiöse, soziale, ökonomische oder demographische. Das Phänomen des Antisemitismus ist alt, der Begriff an sich aber relativ jung: er wird dem Journalisten Wilhelm Marr zugeschrieben, der ihn zwar nicht erfand aber allgemein publik machte. Weiter geht es zu den „Protokollen der Weisen von Zion“, die Laqueur die „Bibel des Antisemitismus“ nennt.

 

Selbstverständlich bildet das Dritte Reich, mit seiner systematischen Vernichtung der Juden den größten Einschnitt in der Geschichte des Judenhasses. Von der „Endlösung“ war erstmals in einer Aktennotiz von Reinhard Heydrich zu lesen, die dieser bei der berühmten Wannsee-Konferenz im März 1941 machte. Wie wir alle wissen war das schreckliche Resultat dieser Zusammenkunft fast sechs Millionen systematisch ermordete Juden aus ganz Europa.

 

Doch hier endet das Buch nicht: Walter Laqueur führt auch zahlreiche Belege für offen antisemitische Tendenzen im Stalinismus an. Unter dem Deckmantel „Kritik am Zionismus“ erfolgte die Diffamierung der Juden im sowjetischen Machtbereich während des gesamten Kalten Krieges, was ebenfalls teilweise für die Neue Linke im Westen gilt. Laqueur erinnert auch daran, dass Kritik an Israel nicht mit Antisemitismus gleichzusetzen sei, alte und neue Gefahren jedoch von radikal-islamischen und -arabischen Antisemiten ausgehen, die die Existenzberechtigung des Staates Israel verneinen.

 

Fazit: Diese knapp 250seitige Darstellung fasst die Erkenntnisse der Forschung sehr überzeugend zusammen und nötigt einem großen Respekt ab. Bemerkenswert finde ich außerdem, mit welcher Gelehrsamkeit sich der Autor in den Dienst des Lesers stellt, wie er trotz seiner im Leben gemachten schlechten Erfahrungen klar differenziert, jedoch nicht anklagt, nichts beschönigt und vor allem nicht weg schaut!

 

Wolfgang Gonsch

4 Sterne
4 von 5

© 2008 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth