(2012)
Nach den Romanen Carrie (1974) und Brennen muß Salem (1975) war Stephen Kings dritte Veröffentlichung Shining (1977) ein großer kommerzieller Erfolg für den noch jungen Autor. Die Filmrechte wurden dem Ausnahme-Regisseur Stanley Kubrick angeboten. Nach Meisterwerken wie 2001 - Odyssee im Weltraum (1968), Uhrwerk Orange (1971) und dem opulenten Historienfilm Barry Lyndon (1975) wandte sich Kubrick 1980 mit Shining dem Horror-Genre zu.
Die gewichtigen Änderungen Kubricks an dessen Romanvorlage stießen bei King, auch bei vielen Fans des Autors, auf heftige Ablehnung. Das Böse war bei Kubrick nicht das übernatürliche Overlook-Hotel, sondern steckte im Menschen - ein für King unüberbrückbarer Fehler. Trotzdem wurde Shining an den Kinokassen ein großer Publikumserfolg. Kubricks Absicht war es einen Horrorfilm zu schaffen, der möglichst auf die typischen Versatzstücke des Genres verzichtete. Stattdessen wollte er den Wahnsinn im Menschen zeigen - was ihm auch kongenial gelang. Noch heute, fast 25 Jahre später, ist Shining ein angsteinflössender Film. Szenen wie die Anfangssequenz, in der eine subjektive Kamera dem Fahrzeug der Familie aus der Luft folgt, verstören ebenso, wie die langen Dreirad-Fahrten von Danny durch die Hotelflure. An diesen beiden Beispielen erkennt man sehr gut die Genialität eines Perfektionisten wie Stanley Kubrick, der nicht nur einen beliebigen, sondern einen außergewöhnlichen Horrorfilm kreierte.
Der Film Shining steckt voller Rätsel und transportiert vieles auf einer starken, unbewussten Ebene. Kubrick setzte Elemente wie das Labyrinth, Spiegelungen und insbesondere Duplizitäten (Zwillinge, Frau im Badezimmer usw.) äußerst wirkungsvoll ein. Kubrick war als Meister seines Faches Experte und zugleich begnadeter Manipulator seines Publikums. Die Komplexität des Films Shining und die berüchtigte Detailversessenheit des Regisseurs Stanley Kubrick ließen diesen Horrorfilm im Laufe der Zeit wie einen guten Wein reifen. so daß er mittlerweile als Klassiker und Meilenstein des Horrorfilms und Kultfilm gilt. Dass dieser Film nach immerhin 24 Jahren noch Anlass für Diskussionen und Spekulationen gibt, beweist für sich schon das ausserordentliche Talent des englischen Regisseurs.
Auf manche Menschen übte Shining (erst 1997 folgte eine schwache Neuverfilmung nach einem Drehbuch von Stephen King) gar einen unheimlichen Sog aus. Sie vermuten hinter dem Werk Verschwörungstheorien und geheime Botschaften des Regisseurs. Die 99minütige Dokumentation von Regisseur Rodney Ascher sammelt fünf interessante Vermutungen von Bill Blakemore, Geoffrey Cocks, Juli Kearns, John Fell Ryan und Jay Weidner. Alle gemeinsam bewundern Kubrick für seine Bildsprache. Ihre Deutungen und angeblichen Erkenntnisse reichen von interessant über witzig, bis skurill und abstrus. Neben zahlreichen Filmausschnitten aus dem Film Shining, sind es vor allem die Auszüge aus Kinofilmen, Trickfilmen und Klassikern, die die Gedankengänge nachvollziehbar werden lassen.
So verstecken sich in Shining angeblich Hinweise für einen vorgetäuschten Mondlandefilm der USA - was abstrus ist. Andererseits verweist Kubrick vielleicht auf den amerikanischen Genozid an den indianischen Ureinwohnern. Dies ist wiederum ziemlich einleuchtend dargelegt. Fraglich aber erscheinen die Deutungen zum Holocaust an den Juden im Nazideutschland anhand einer Zeichentrickfigur - des bösen Wolfs. Spannend anzuschauen sind wieder die Überlagerungen der Bilder beim gleichzeitigen Vor- und Zurückspielen der Filmrolle - ein sehr interessantes Experiment.
Die Kapiteleinteilung der DVD:
- Die Interviewpartner
- Die Essenz herausziehen/Boiling down
- Sich einen Weg durchs Labyrinth bahnen/Navigating the labyrinth
- Fahrstuhl zum Friedhof/Elevator to the graveyard
- Der geheimnisvolle Bill Watson/The enigmatic Bill Watson
- Bilder in einem Buch/Pictures in a book
- Wie Shining eigentlich gesehen werden sollte/How the Shining was meant to be seen
- Zimmer 237/Room 237
- Nach Shining/After the Shining
Die DVD befindet sich in einer Softbox mit Wendecover. Sprache in Englisch DD 5.1 mit optionalen deutschen Untertiteln.
Fazit: Letztendlich wollte Kubrick mit Shining einen bemerkenswerten Horrorfilm drehen - dies ist ihm zweifellos mehr als gelungen. Dass Kubrick in vielen seiner Filmen versteckte Hinweise einbaute, ist kein Geheimnis. Die Thesen der Autoren sind interessant, ironisch und mit vielen Filmausschnitten sehr bildhaft dargestellt. Für Filmliebhaber ist diese Dokumentation eine faszinierende Fundgrube und ein absolutes Muß.
Harald Kloth
© 2014 Harald Kloth