Christian Schünemann/Jelena Volic: Kornblumenblau

Ein Fall für Milena Lukin, Band 1

Roman

Zürich ; Diogenes ; 2013 ; 361 Seiten ; ISBN 3-257-06833-6

 

Autorenduos erleben derzeit eine Renaissance: Doch nicht nur die hierzulande alles überstrahlenden Kobr & Klüpfel mit ihren Allgäu-Krimis um den Kult-Ermittler Kluftinger erreichen eine große Leserschaft. Es gibt noch weitere, sehr lesenswerte und überzeugende Autoren-Kombinationen. Hierzu zählen im deutschsprachigen Raum u. a. Borger & Straub oder das italienische Kult-Duo Fruttero & Lucentini.

 

Ganz neu hingegen ist das Literatur-Team Christian Schünemann und Jelena Volic. Mit ihrem Debüt-Roman „Kornblumenblau“ legen sie die Finger in noch immer offene Wunden und erinnern an noch gar nicht so lange zurückliegende, dunkelschwarze Zeiten auf dem Balkan.

 

Und diese dramatische Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruht, mit einem mehr als harmlos daherkommenden Titel, packt den Leser sofort, lässt einen nicht mehr los und schon ganz und gar nicht kalt. Es scheint, als habe die serbische Autorin mehr zu diesem packenden Plot beigetragen, als ihr deutscher Kollege – egal! Die beiden schicken Milena Lukin auf eine Ermittlung, die tief eintaucht in das tragische Geschehen auf dem Balkan Anfang der 90er Jahre.

 

Zwei junge Elitesoldaten werden tot auf dem Gelände ihrer Einheit in Topsider in der Nähe der Hauptstadt Belgrad aufgefunden. Sie sollen angeblich Selbstmord begangen haben. Die beiden Toten stammen aus dem bosnischen Bratunac, fünf Kilometer von Srebrenica entfernt; die Spur führt direkt in das dunkelste Kapitel der jüngsten Geschichte Serbiens. Mit diesem unehrenhaften Ende ihrer geliebten Söhne wollen sich die Eltern jedoch nicht abfinden und beauftragen den Anwalt Sinisa Stojkovic, der Geschichte auf den Grund zu gehen. Dieser bittet seine Freundin Milena Lukin, Spezialistin für internationales Strafrecht, um Hilfe. Milena arbeitet im Auftrag Deutschlands in Belgrad. Ihr Sohn lebt in Deutschland bei seinem Vater. Sie ist eine jener vielen unglücklichen, die durch den Krieg zu Wanderern zwischen unterschiedlichen Welten wurden, die entwurzelt wurden und mühsam sich wieder zurechtfinden müssen, in einer durch den Krieg völlig veränderten Situation. Auch ihr Sohn pendelt zwischen Vater in Deutschland und Mutter in Serbien, eine Gratwanderung zwischen Wohlstand und Überlebenskampf.

 

Milena hat Kontakte, Verbindungen und Seilschaften. Sie merkt schnell, dass hier etwas mehr als faul ist. Und schnell gerät sie selbst in Lebensgefahr, denn sie stört Kreise, die am Jahrestag eines der größten Massaker der europäischen Geschichte seit dem Zweiten Weltkrieg – Srebrenica – ihren unbelehrbaren Nationalismus ausleben und feiern – und morden!

 

Wir sind schon sehr gespannt, was die beiden auf diesen berührenden, autobiographischen Historien-Krimi nachlegen können, denn „Kornblumenblau“ ist derart packend und erschütternd, dass die grausamen Bilder der damaligen Berichterstattungen sofort wieder lebendig werden. Auf ein solches Schwergewicht mit historischem Tiefgang, ist es schwer einen einigermaßen gelungenen Nachfolger zu bringen, zu groß die Gefahr des Scheiterns. Und das wünschen wir uns nicht, und dem Autoren-Duo Schünemann & Volic schon gar nicht! Und wir wünschen den Menschen auf dem Balkan, dass irgendwann wieder so etwas wie Normalität in ihr Leben einkehren möge ...

 

Fazit: Packender und erschütternder Roman mit historischem Tiefgang.

 

Wolfgang Gonsch

5 Sterne
5 von 5

© 2014 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth