Thomas Zirnbauer: Der besondere Geschmack

Ein Gourmet-Lesebuch

München ; dtv ; 2013 ; 192 Seiten ; ISBN 978-3-423-14255-7

 

Diese Buch ist der Beweis: Autoren sind Genussmenschen, und stehen der Völlerei näher als der Askese. Zumindest legt dies die Fülle an Werken nahe, in denen reichlich gegessen und noch mehr getrunken wird. Immer wieder finden sich bunte Gesellschaften oder kleine, fast geheime Gruppen zusammen, um das gemeinschaftliche Mahl zu einem gesellschaftlichen Ereignis zu machen. Frühstück, Brunch, Lunch, Kaffeekränzchen, Diner oder sonst was bilden Rahmen, den Anlass in denen die Hauptpersonen der Geschichten, meist über Gott und die Welt eher schwadronieren als ernsthafte Gespräche führen.

Diese Anthologie wirft einen Blick auf die Helden aber auch die vermeintlichen Nebenfiguren, wie Paprikahühnchen, Dessert oder Suppe, die aus sorgsam ausgewählten Zutaten zubereitet und mit Bedacht und sehr viel künstlerischem auf Tellern oder Platten arrangiert werden. Eines haben die hier versammelten Texte gemeinsam: egal aus welcher Epoche oder geographischen Region sie stammen, alle halten den Moment des Genusses fest, meist als Huldigung, aber auch mit ironischer Distanz!

Dabei muss es beileibe kein Mehrgänge-Menü sein, das den kulinarischen wie literarischen Feinschmecker genießerisch die Augen schließen lässt. Ein leckeres Omelett, eine knackige, frische Wurst, saftige Kirschen, kräftiger Wein oder auch eine kleine, den Gaumen anregende Tasse Espresso lassen diesen einen Augenblick zur genussvollen Ewigkeit werden. Wer wirklich die Gabe hat genießen zu können, sich auf einen einzigartigen Geschmack einzulassen, der kann der Zeit ein Schnippchen schlagen! Es zählt nur der Genuss: Jetzt und Hier!

Gekocht und genossen wird in den Geschichten bei Freunden, in der Familie, zu Hause, bei Freunden im edlen Restaurant oder in der Kneipe am Eck. So verlässt zum Beispiel Gerhard Polts Gourmet niemals den Dunstkreis seiner Pommes-Bude und ist das Essen bei Milena Agus und Uwe Timm nur das Vorspiel zu anderen, körperlichen Genüssen. Alle hier versammelten über 40 Literaten mit ihren Beiträgen zu nennen würde den Rahmen sprengen, doch stellt die Auswahl allein schon eine Delikatesse dar.

Wie heißt es doch so schön: „Wer liest, genießt“, denn das Lesen im Allgemeinen ist zweckfrei, dient der Freude, der Entspannung, dem Wohlbefinden, dem angenehmen Zeitvertreib - außer man hat einen Hang zu Bedienungsanleitungen oder Fahrplänen.

Fazit: Auch wenn es in dieser Anthologie fast ausschließlich um kulinarische Genüsse bzw. das Genießen an sich geht, ich schließe mich uneingeschränkt dem Nachwort des Autors an: „Sei ein Mensch, genieße – lies!“

Wolfgang Gonsch

5 Sterne
5 von 5

© 2013 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth