Patrick Süskind

Drei Geschichten und eine Betrachtung

Hier, in dieser nicht mal neunzig Seiten kurzen Anthologie zeigt sich die absolute Stärke von Patrick Süskind: es ist meiner Meinung nach nicht Das Parfum, die zugegebenermaßen meisterlich poetische Mordgeschichte, sondern sind es seine Kurzgeschichten, seine Novellen, seine Betrachtungen und seine Essays wie Die Geschichte von Herrn Sommer, Die Taube oder Der Kontrabaß, über die kleinen Leute und Begebenheiten, über die Stille oder die Einsamkeit, einfach über die Banalitäten und Skurrilitäten des Alltags, über die Patrick Süskind so unübertrefflich und unaufgeregt zu schreiben vermag.

 

Die Themen seiner Geschichten sind alle irgendwie aus dem Leben gegriffen, mal melancholisch, mal mysteriös oder düster, niemals aber monumental oder gar weltbewegend. Durch die Erzählkunst des Autors erfährt auch die banalste Story eine literarisch großartige Aufarbeitung. Die Geschichten und Geschichtchen erfahren ihre Spannung, ihre Eleganz nicht durch den Inhalt - nein, sie Leben allein durch die kunstvolle, rhythmische und einfache Sprache.

 

Hinter den aus einfachen Verhältnissen stammenden, meist leicht bis mittelschwer verkrachten aber immer zur Skurrilität neigenden Protagonisten verstecken sich zumeist Verlierer, anders Denkende oder Außenseiter, mit denen es das Leben nicht immer gut gemeint hat - und hier ist Das Vermächtnis des Maitre Mussard die einzige Ausnahme.

 

Wunderbar gelungen ist vor allem das Essay "Ein Kampf", in dem ein Schachspieler im Jardin du Luxembourg zwar die Partie gewinnt und doch alles verliert; Patrick Süskinds Geschichte über dieses Schachspiel braucht den Vergleich mit der Schachnovelle des großen Stefan Zweig nicht zu scheuen, so intensiv, einfühlsam und packend ist dieser Plot.

 

Die bemerkenswerteste Geschichte ist aber zweifelsohne die Betrachtung "Amnesie in literis" in der sich so ziemlich jede Leserin und jeder Leser selbst erkennen wird. Seine Geschichten leben von seiner Lust am Erzählen!

 

Fazit: Erzählkunst vom Feinsten.

 

Wolfgang Gonsch

5 Sterne
5 von 5

© 2005 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth