Patrick Süskind

Die Taube

Hörbuch, gelesen von Hans Korte

Hans Korte liest mit seiner unvergleichlichen rauen Stimme eine Geschichte über die wohl einschneidendsten vierundzwanzig Stunden im Leben von Jonathan Noel, einem Wachmann in einer Pariser Bank. Dieser alternde Mann lebt allein in einem winzigen, spartanisch eingerichteten 10-Quadratmeter-Appartement im sechsten Stock eines Pariser Mietshauses. Er lebt dort seit zwanzig Jahren in völliger Ereignislosigkeit und rechnet nicht damit, daß ihm noch etwas wesentliches passieren könne außer dem Tod. Sein Zimmer beschreibt er fast wie eine Geliebte, es gebe ihm Wärme und Nähe, absolute Zuverlässigkeit, es ist seine Zuflucht und Insel. Aufgrund einer schweren Kindheit und einer gescheiterten Ehe ist er von den Menschen enttäuscht und glaubt, man könne nur in Frieden leben, wenn man sich von ihnen fernhält.

 

Jonathan Noel will nichts weiter als seine Ruhe haben, er hat einen streng organisierten Tagesablauf, alles ist pedantisch festgelegt und penibel geordnet. Seine Zwanghaftigkeit und Engstirnigkeit haben annähernd autistische Züge. Der neurotische Noel wird völlig aus der Bahn geworfen, als ihm eines Tages auf dem Gang vor seiner Wohnungstür eine verirrte Taube begegnet. Er erleidet eine regelrechte Panikattacke, kann seinen Weg nicht mehr fortsetzen. Die folgenden Stunden werden für den Protagonisten zur Apokalypse, die sein Leben dann zumindest für diesen einen Tag auf entscheidende Weise ändert.

 

Die Geschichte von Jonathan Noel hat zwar an sich keine besondere Handlung, aber trotzdem ist es von der ersten bis zur letzten Minute spannend, zuzuhören. So fremd sie auch sein mögen, wird man hier eingeweiht in die Gedankengänge und psychologische Welt dieses Neurotikers. Süskind beschreibt gekonnt und sehr detailliert die inneren Vorgänge Noels, seine Hilflosigkeit, seine Erregung und Verzweiflung und vor allem seine Einsamkeit.

 

Fazit: Man kann sich dieser psychogrammartigen Erzählung nicht entziehen, sie ist durch Patrick Süskinds große und elegante Sprache voller Spannung und Intensität.

 

Tanja Lenter

4 Sterne
4 von 5

© 2008 Tanja Lenter, Harald Kloth