Rudolf Nedzit

Ein philosophischer Roman

Wantlek, Band 2

Der saarländische Autor führt uns mit seinem bereits 2007 erschienenen Briefroman Wantlek - Briefe an einen Freund (der wiederum der erste Teil dieses Werkes ist) gefühlvoll und mit wohltuender Langsamkeit in seinen von großen Gefühlen und unglaublichen Tiefgang geprägten dreiteiligen philosophischen Roman ein.

 

Die "27 Briefe an einen Freund" des ersten Teiles die der trauernden Protagonisten Wilhelm Wantlek an seinen Freund, den Buchhändler Hans Teschkai schreibt, erschließen uns ein immer intensiver werdendes Universum der Gefühle. Der Autor nimmt uns sprichwörtlich mit, er zieht uns gekonnt, Stück für Stück in den Bann dieser vor unglaublicher Intensität geprägten Briefe und im Laufe der Lektüre ist man mehr und mehr davon überzeugt, dass diese nicht an Hans, sondern an einen selbst gerichtet sind. Die Wandlung des Wilhelm Wantlek, vom depressiven, auf der Suche nach dem Sinn suchenden Witwer zum verliebten, weltoffenen und zukunftsorientierten Optimisten wird mit jedem der Briefe deutlicher; wir freuen uns mit ihm, dem Genesenen und wünschen ihm viel Glück in seinem neuen, von Professor Gesslov geschenkten Leben mit seiner Tine.

 

Durch die herzlichen, durch Mark und Bein gehenden Briefe inspiriert, macht sich nun auch Wantleks Freund Hans Teschkai auf den Weg zu Professor Gesslov und damit befinden wir uns mitten drin im zweiten Teil, Gesslovs Vermächtnis. Dieser durch und durch philosophische Teil des Buches, mit seinen zum Großteil nur aus der Erinnerung niedergeschriebenen Gesprächsteile von Hans Teschkai mit Professor Gesslov, erscheint dem Leser eher als ein Buch füllendes Brücken-Teil zum dritten, dem geschichtlichen und familiären Teil dieser Trilogie, die uns zu Wantleks Kindern, Karl und Johanna, führt. Dieser abschließende Plot bringt uns durch das jugendliche und revolutionäre Tun Karls und der schüchternen, sozialen und liebenswerten Art Johannas in die Zeit von Revolution und der Aufklärung.

 

Rudolf Nedzit legt drei Jahre nach dem Erscheinen von Wantlek – Briefe an einen Freund die versprochene und lang erwartete Fortsetzung vor. Eine Fortsetzung die einen beim Lesen richtiggehend entzweit, denn unterschiedlicher können die Teile einer einbändigen Trilogie kaum sein. Damit ist weder die konsequent durchgehaltene wunderschöne deutsche Hochsprache des ausgehenden 18. Jahrhunderts oder die auf gleichbleibend auf hohem Niveau liegende literarische Qualität gemeint, sondern der eklatante Spannungsabfall im zweiten, einen Tick zu philosophischen und langatmigen Teil.

 

Trotzdem bleibt der hervorragende Gesamteindruck dieses weder reißerischen noch gekünstelt wirkenden, von Revolution, Krieg, Hunger und Standesdenken geprägten philosophischen Romans weitestgehend ungetrübt und verdient vor allem Aufgrund seines phänomenalen Tiefgangs, seiner Zeitlosigkeit und seiner hohen literarischen Qualität Beachtung. Ganz besonders erfreut uns Rudolf Nedzit wieder mit seiner treffsicheren, keineswegs altmodisch anmutenden Sprachgewandtheit, die uns in die Kernzeit der von Humanität und Menschlichkeit geprägten Deutschen Klassik zurück versetzt.

 

Fazit: Rudolf Nedzit weist uns mit seiner wohltuend harmonischen und außergewöhnlichen Melodie der Wantlek-Trilogie geradewegs den Weg dorthin, wo Literatur hin gehört: mitten ins Herz!

 

Wolfgang Gonsch

4 Sterne
4 von 5

© 2010 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth