Walther L. Bernecker / Sören Brinkmann

Kampf der Erinnerungen

Der Spanische Bürgerkrieg in Politik und Gesellschaft

1936 bis 2006

"Meine Hand wird nicht zittern, wenn ich Todesurteile für die Hälfte der Spanier unterschreiben muss“
(Franco)

 

70 Jahre nach dem Beginn der militärischen Kampfhandlungen im Spanischen Bürgerkrieg und mehr als 30 Jahre nach Beendigung der Franco-Diktatur und der friedvollen Demokratisierung Spaniens, erhebt sich in Spanien ein neuer, jedoch stiller und ohne Waffen geführter Krieg, Der Kampf der Erinnerungen . So zumindest das Fazit des gleichnamigen Buches von L. Bernecker und Sören Brinkmann.

 

Die beiden Autoren teilen sich inhaltlich das Buch. Im ersten Teil berichtet Walther Bernecker kurz, aber ohne wesentliche Aspekte zu vernachlässigen über den Bürgerkrieg und der franquinistische Ära. Sören Brinkman arbeitet dann die 30 Jahre nach dem Tod Francos auf und beschäftigt sich dabei intensiv mit der Frage, warum eigentlich über einen solch langen Zeitraum eine notwendige Aufarbeitung der Geschichte verhindert und vermieden, ja verschwiegen wurde.

 

Der Spanische Bürgerkrieg hatte seine Wurzeln in der ständigen Auseinandersetzung zwischen der besitzenden Klasse der Großgrundbesitzer sowie den Bauern und Industriearbeitern, die nur in einer Republik eine Perspektive sahen. Dieser Gegensatz war auch in vielen anderen europäischen Ländern zu beobachten. Während man jedoch dort zu Zugeständnissen und Sozialgesetzen bereit war, wurde die Arbeiterklasse in Spanien immer wieder vor Enttäuschungen gestellt, bis der Topf schließlich überkochte. Sehr ausführlich beschreibt Bernecker die Entwicklung des Anarchosyndikalismus, also die Entwicklung der revolutionären gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung, deren Ziel es war, die Gewerkschaften als die Urzelle der neuen Wirtschaftsgesellschaft zu bilden.

 

Am 19. Juli 1936 begann der Putsch des Armeegenerals Francisco Franco gegen die erst gut fünf Jahre alte II. Republik. Cirka 150.000 Tote, dabei dreimal soviel auf Seiten der Republikaner, waren schließlich die traurige Bilanz des dreijährigen Gemetzels. Während jedoch die Gewalttaten der Faschisten die Folge eines groß angelegten Planes waren, waren die Toten verursacht durch Republikaner eher die Folge eines schlichten Selbsterhaltungstriebes oder spontaner Racheakte. Entschieden wurde der Krieg schließlich durch das unrühmliche Eingreifen deutscher und italienischer Bomber der Legion Condor (was übrigens jahrzehntelang geleugnet wurde), die am 26. April 1937 in einem dreistündigen Bombardement die Baskenhochburg Guernica den Erdboden gleichmachten und dadurch die Moral der Basken brachen. Ähnlich wie bei Hitlers Einmarsch in Österreich und in das Sudetenland, verfolgten Frankreich und Großbritannien eine Politik der Nichteinmischung, so dass Franco mit Unterstützung Nazi-Deutschlands und dem faschistischen Italien freien Lauf hatte. Auch nach den dem Ende der offiziellen Kampfhandlungen (ein Begriff, den auch George W. Bush nach dem Irak-Krieg prägte obwohl seitdem in der Nachkriegszeit mehr Soldaten starben als im Krieg?!) starben nochmals hunderttausende Kriegsverlierer unter den Repressionen Francos, Hunderttausende wurden hinter Gittern gesteckt, eine halbe Million Menschen flüchteten ins Exil.

 

Im Gegensatz zum Beispiel zum Nachkriegsdeutschland und zum wiedervereinigten Deutschland nach 1989, deren Aufarbeitung auch heute bei weitem noch nicht abgeschlossen ist, wird immer wieder behauptet, Spanien hätte den Übergang, die Transicion, von der Franco-Diktatur zu einer westlichen Demokratie ohne jeglichen gerichtlichen Prozesse und ohne langwieriges Stöbern in der blutigen Vergangenheit geschafft. Ein Irrtum wie sich jetzt zeigt, bröckelt doch langsam die Mauer des Schweigens zwischen den zwei Spanien.
Meines Erachtens kann kein Land mit seiner Geschichte brechen und von einer Diktkatur in eine Demokratie übergehen, ohne diese vernünftig und vor allem von allen demokratischen Gruppierungen anerkannt aufzuarbeiten.

 

Die Gründe für den mangelnden Willen, die Vergangenheit zu bewältigen sind heute weitestgehend bekannt: Zunächst lag die militärische und wirtschaftliche Macht weiter in den Händen von ausgewiesenen Sympathisanten Francos. Die noch junge Demokratie fürchtete einen Putsch des Militärs und eine erneute Rückkehr zur Diktatur. So schwieg man auch während der langen Regierungszeit der Linken zwischen 1982 und 1996. In der Regierungszeit der rechtskonservativen Partido Popular (1996 bis 2004), einer Partei, die mit Masse aus Nutznießern des Franco Regimes unterstützt wurde, war ein Rückblick schlichtweg nicht gewollt. Auch wollte man einfach den Frieden unter allen Bevölkerungsgruppierungen nicht mehr gefährden und durch Schweigen die Fortsetzung der Versöhnung fördern.

 

Der „pacto de olvido“ (Pakt des Vergessens), wie ihn der britische Geschichtsschreiber Antony Beevor (Berlin 1945) bezeichnet, ist nun auch in Spanien zunehmend aufgeweicht, ja aufgebrochen. Das Jahr 2006 wurde zum Jahr der historischen Erinnerung erklärt. Der Spanische Bürgerkrieg, 30 Jahre verschwiegen, ist nun Thema in der Bevölkerung, seine Ursachen, sein Verlauf und vor allem seine Wirkung wird jedem vor Augen geführt.

 

Bleibt nur zu hoffen, dass bei der Aufarbeitung die eigentlich verheilten Wunden zwischen der an einer intensiven Aufklärung wenig interessierten Rechten und der immer noch jegliche staatliche Ordnung ablehnende Linke erneut aufbrechen und sich erneut zwei Spanien gegenüberstehen. Der Gedanke an Revanche, muss dem Gedanken an Versöhnung weichen. Allerdings brauchen die Spanier in der Aufarbeitung ihrer Geschichte auch Unterstützung ihrer westeuropäischen Nachbarn. Auch Deutschland hat lange gebraucht, bis es sich den Fehlern seiner Geschichte intensiv stellte und auch da kam der notwendige Antrieb von Innen, wurde aber von außen intensiv gefördert und unterstützt.

 

Wie Brinkmann richtig darstellt, spielt ein wesentlicher Bereich für die Aufarbeitung wie so oft das Medium Film und Buch. Los santos inocentes, Luna de Lobos (1987, handelt zum Beispiel von Republikanern, die den Bürgerkrieg auch nach dem offiziellen Ende fortsetzen) oder der jüngst erschienene Film El Laberinto del Fauno (die auch international gelobte exzellente Darstellung des Faschismus handelt von einem in einer eigenen Fantasiewelt lebenden Mädchen, deren Mutter einen Faschisten und grausamen Partisanenkämpfer heiratet) um nur einige zu nennen, sind Romanerzählungen, die sich mit der jüngsten Vergangenheit beschäftigen und so das Interesse der Bevölkerung wecken.

 

Wer sich mit dem Thema Spanischer Bürgerkrieg, der Franco Diktatur aber vor allem mit dem Thema Verdrängung in den 30 Jahren nach dem Tod Francos und den Übergang in eine Demokratie intensiv auseinandersetzen möchte, der ist mit bei Kampf der Erinnerungen bestens aufgehoben. Auch wenn manche kritisieren, die Autoren hätten Ihre Schlüsse zu sehr aus Meinungsbildern aus Zeitungen, Zeitschriften, Leserbriefen und Umfragen bezogen, die erfahrungsgemäß einer gewissen Ungenauigkeit unterliegen.

 

Fazit: Ein gut zu lesendes und jederzeit informatives Buch, welches alle Aspekte des Themas (politisch, militärisch, wirtschaftlich, soziologisch) behandelt und auch die so wichtigen Gefühlsempfindungen der Menschen nicht außer Acht lässt.

 

Andreas Pickel

4 Sterne
4 von 5

© 2006 Andreas Pickel, Harald Kloth