Christian Kessler: Bleigewitter über Cinecittá

Gangster und Polizisten im italienischen Kino von 1960-1984

Berlin ; Martin Schmitz Verlag ; 2023 ; 360 Seiten ; ISBN 978-3-927795-99-0

Das Buchcover zeigt Handschellen auf einem grünen Hintergrund
Copyright © Martin Schmitz Verlag

 

Es gibt Bücher, die man sofort als Standardwerk identifizieren kann. »Bleigewitter über Cinecittá - Gangster und Polizisten im italienischen Kino von 1960-1984« von Christian Kessler ist solch ein Glücksfall.

 

Vom unspektakulären grünen Hardcovereinband sollte man sich nicht abschrecken lassen. Der Filmjournalist Christian Kessler führt durch drei Jahrzehnte italienische Filmgeschichte. Er bespricht 219 (!) Kriminalfilme mit Schwerpunkt der 1970er Jahre. Die Poliziottesco oder auch Poliziotteschi genannten Streifen bilden im Polizeifilm ein eigenes Untergenre. Diese Kriminal- und Gangsterfilme sind aus heutiger Sicht oft kontrovers, politisch unkorrekt, überaus gewalttätig und machten - im wahrsten Sinne des Wortes - keine Gefangenen. Dass diese Streifen Jahrzehnte nach ihrem Erscheinen von Filmliebhabern wiederentdeckt werden, ist ein echtes Phänomen. Aber manchmal ist der Weg vom Schund zur Filmperle ein kurzer. Dem Autor Christian Kessler gebührt jedenfalls großen Dank, sich diesem Nischenthema des Kinos ausführlich mit außerordentlich viel Wissen und sarkastischen Witz gewidmet zu haben.

 

Nach seinem gelungenen Ausflug ins Giallo-Kino »Gelb wie die Nacht - Das italienische Thrillerkino von 1963 bis heute« (2020) ist dies die perfekte Ergänzung für Freunde des italienischen Genrekinos. Kesslers Texte sind prägnant und bringen enormes filmhistorisches Wissen, teils auch gesellschaftspolitischen Kontext mit. Im Gegensatz zum vorherigen (gelben) Buch ist der Stil nun aber weit weniger flapsig und zynisch. Für Filmfans gibt es trotzdem jeden Menge ikonischer Sätze wie: „... in dem Silva rot sieht und mit seinen Eiern Wände einebnet, wird mit Stockhieben bestraft.“ (Seite 162, In den Händen des Entführers) oder „Wer seine Weg kreuzt und auch nur einen Pups absondert, ist des Todes.“ (Seite 239, Stadt in Panik). Wer bei derlei Sätzen nicht vor Freude mit der Zunge schnalzt oder lachend in der Ecke liegt, sollte sich aber vielleicht lieber seriöseren Genres zuwenden. Zu jedem Film gibt es mindestens eine farbige Abbildung des Filmplakats und einige wenige Aushangfotos. Wirklich wichtig ist das Titelregister am Ende, durchsuchbar nach deutschen Filmtiteln und italienischen Originaltiteln. Ein Personenregister fehlt leider.

 

Fazit: Wer bisher noch nichts von Umberto Lenzi, Damiano Damiani, Andrea Bianchi, Tomas Milian, Maurizio Merli, Fabio Testi oder Henry Silva gehört hat, sollte dieses Buch möglicherweise nicht kaufen. Wer aber eine Zeitreise mit miesen Kriminellen, brutalen Vigilanten und unorthodoxen Polizisten erleben möchte, ist hier genau richtig.

 

Harald Kloth

5 Sterne
5 von 5

© 2024 Harald Kloth, Cover: Copyright © Martin Schmitz Verlag

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