Harald Jöllinger: Marillen & Sauerkraut

Gschupfte und grantige Gschichtn

Wien ; Kremayr & Scheriau; 2019 ; 208 Seiten ; ISBN 978-3-218-01156-3

 

Österreich ist ein lässiges Land mit einer unvergleichlichen Lebensqualität und ein unvergleichlicher kultureller Schmelztiegel; Kelten, Römer, Hunnen, Türken, Slawen und noch viele Völker und Kulturen mehr hinterließen in den vergangenen Jahrtausenden teils gewaltige Spuren.

 

So nimmt es nicht Wunder, dass sich dieses Land mit einem typischen trockenen, selbstironischen und tief schwarzen Humor rühmen kann. Und in genau diese teils humorvolle, teils grantige Welt sticht Harald Jöllinger mit seinem Debüt-Roman
hinein.

 

Die Gschichterln „Marillen“ kommen zuckersüß, wohlig, sanft und harmonisch, zeugen von Verständnis, Beobachtungsgabe und erzählen liebevoll von vielen kleinen und manchmal großen Begebenheiten und Beobachtungen.

 

Im „Sauerkraut“ das krasse Gegenteil: diese Kurzgeschichten knüpfen zwar an die Marillen-Storys an oder erzählen dieselbe Geschichte aus der entgegen gesetzten Richtung, sind aber krempensauer, zynisch, bitterböse, regelrecht gallig und
grauslich.

 

Was dieses Buch jedoch so richtig lesenswert macht, ist der besondere, ungewöhnliche Erzählstil Jöllingers: Er schreibt außerhalb der „political correctness“, deutet an, erzählt in unvollendeten oder gar unausgesprochenen Sätzen, schreibt oftmals aus der Sicht des ewig dahingrantelnden Misanthropen, mimt den immerzu Missmutigen und vom Leben gezeichneten, nimmt kein Blatt vor den Mund und setzt seine Pointen punktgenau. Er schreibt keineswegs auf österreichisch, setzt aber die wichtigen Schlagworte auf Dialekt und versetzt uns so mit einem Wort in ein Wiener Kaffeehaus, ans Ufer des Neusiedler Sees oder in einen Heurigen nach Grinzing.

 

Auf diesen Erstling von Harald Jöllingen muss man sich richtiggehend einlassen und am Besten in einem Rutsch lesen; so eröffnet sich ein literarisches Universum mit österreichischer Finesse und herkunftstypischem Charakter. Die zumeist missmutigen und Menschen hassenden Protagonisten Jöllingers (u.a. Gelsen, Sandler, Puffn oder Ferdl) haben die zutiefst österreichische Kunst des Suderns und Raunzens perfektioniert.

 

Zum besseren Verständnis für richtige „Piefkes“ befindet sich am Ende des Buches ein Glossar mit den wichtigsten „Übersetzungen“ – allein dieser kurze Teil ist das Geld schon wert!

 

Fazit: zuckersüß wie Marillen und krempensauer wie das Kraut.

 

Wolfgang Gonsch

4/5 Sterne
4/5 von 5

© 2019 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth