Paolo Giordano: Den Himmel stürmen

Roman

Reinbek ; Rowohlt ; 2018 ; 522 Seiten ; ISBN 978-3-498-02533-5
 
Alles beginnt damit, dass drei Nachbarsjungen nachts heimlich in den Pool der Gasparros springen. Teresa, die Tochter des Hauses, die ihre Ferien immer zusammen mit ihrem Vater bei der Großmutter verbringt, beobachtet alles von ihrem Zimmer aus. Nach dem nächtlichen Vorfall entwickelt sich eine Freundschaft zwischen Teresa und den Nachbarsjungen. Bern, Nicola und Tommaso leben auf einem Hof ganz in der Nähe. Der tief religiöse Cesare ist Nicolas leiblicher Vater und Berns Onkel. Tommaso hat er als Pflegekind bei sich aufgenommen. Auf dem Hof herrschen strenge Regeln und der dort herrschende beinahe sektenhafte Glaube mutet seltsam an. Dennoch besitzen die Jungs eine Freiheit, die sich Teresa nur wünschen kann und die sie immer wieder fasziniert. Sie findet deren Leben einerseits befremdlich, andererseits will sie aber in der Nähe der Jungen sein und nimmt damit andere Dinge gerne in Kauf.

Teresa und Bern, von dem sie von Anfang an fasziniert war, kommen sich näher und lieben sich einen Sommer lang.
Dann verlieren sie sich aus den Augen und erst als Teresa zur Beerdigung ihrer Großmutter nach Apulien zurückkehrt, sehen sich die beiden wieder. Sie werden ein Paar und leben zusammen mit anderen Umweltaktivisten auf Cesares verlassenem Hof. Das Zusammenleben dort ist immer wieder von Spannungen geprägt in deren Verlauf Teresa Dinge tut, die zum Zerwürfnis mit ihren Eltern führen. Für sie zählt in diesem Moment aber nur die Nähe zu Bern. Doch ist die Liebe wirklich so stark, dass sie das ganze Leben lang mit allen Höhen und Tiefen bestehen wird?

Paolo Giordano erzählt die Geschichte von vier jungen Menschen, die sich über viele Jahre kennen und vieles zusammen erleben. Im Zentrum der Geschichte steht die Beziehung zwischen dem ungestümen Bern und Teresa, der Tochter aus gutem Hause. Wie physikalische Teilchen ziehen sich die beiden an und stoßen sich auch wieder ab. Auf Phasen des Zusammenseins folgen immer wieder Phasen, in denen sich die beiden verlieren. In manchen Momenten scheint Teresa durch ihre bedingungslose Liebe zu Bern nur noch bedingt zu rationalem Handeln fähig zu sein.

Giordano schafft es, diese emotionale Abhängigkeit und völlige Fixierung, die dann in absoluter Lethargie endet, besonders plastisch darzustellen. Diese schier unglaubliche Trägheit und auch die damit verbundene Traurigkeit gehen förmlich beim Lesen auf den Leser über. Gegen Ende hin zeigt sich, welch zerstörerische Kraft die Liebe haben kann und was im Leben letztlich wirklich wichtig ist. Im Wechselbad der Gefühle bleibt der Leser am Ende etwas verstört zurück.

Fazit: trotz einiger Längen ein empfehlenswerter Roman.

 

Sonja Kraus

4 Sterne
4 von 5

© 2018 Sonja Kraus, Harald Kloth