Donna Leon

Wie durch ein dunkles Glas

Commissario Brunettis fünfzehnter Fall

Mit gewisser Freude und ungeduldiger Neugier erwarteten Donna Leon-Fans das neue Buch der bekannten Krimiautorin, das es jetzt endlich in den Buchhandlungen gibt. Ja, der sympathische Commissario Brunetti ermittelt wieder in seinem fünfzehnten Fall.

 

Der Leser kennt den mutigen und warmherzigen Brunetti, die schöne vertraute Atmosphäre der Touristenstadt Venedig mit ihren faszinierenden Sehenswürdigkeiten, ihrer geheimnisvollen Küche und dem pulsierenden Gesellschaftsleben.

 

Doch vergeblich erwartet er Spannung, kluge Lösungen, interessante Höhepunkte und blutüberströmte Leichen. Von der ersten Seite an taucht er in eine entspannte, lockere, ja fast langweilige Atmosphäre, leise und langsam entwickelt sich die Handlung, gelassen und ruhig sind die Hauptfiguren. Auch die sonst literarischen Darstellungen lassen zu wünschen übrig. Denn teilweise ähnelt der Text Zeitungsartikeln über den Umweltschutz, welche der Leser zur Zeit fast täglich durch die Presse zu Gesicht bekommt, und das hat mit Literatur nun wirklich nichts zu tun, wenn es auch um ein sehr aktuelles Thema wie Umweltverschmutzung geht.

 

Es handelt sich in diesem Roman zuerst um einen Umweltschützer, der bei einer Antiglobalisierungsdemo festgenommen und mit Brunettis Hilfe wieder frei gelassen wird. Es stellt sich heraus, dass er der Schwiegersohn von De Cal ist, des berühmt-berüchtigten Besitzers einer Glaserei. Jeder kennt De Cal, weil er laut, streitsüchtig, rechthaberisch und deswegen unbeliebt ist. Für Brunetti ist es kein Wunder, dass ihn auch De Cals Tochter um Hilfe bittet, weil ihr Vater den Ehemann umzubringen droht. Was ist nun wirklich daran? Ganz gemütlich und auf eigene Faust beginnt Brunetti nachzuforschen. Er spricht mit Leuten, stellt Fragen, beobachtet, sieht sich um.

 

Erst in der Mitte des Buches gibt es tatsächlich doch noch eine Leiche. Aber das ist eine andere Geschichte. Der Nachtwächter Tassini von der anderen Muranoglaserei, die einem gewissen Fasano gehört, wird tot vor dem Glasofen aufgefunden. Er arbeitete auch bei De Cal, hat eine behinderte Tochter und beschuldigt die beiden Glasereien, verbotene chemische Abfälle heimlich entsorgt zu haben. Wie durch ein dunkles Murano-Glas versucht Brunetti das Motiv der Tat zu erkennen. Unklar ist, wie er zu Tode gekommen ist, ob es ein Unfall oder doch ein Mord war.

 

Brunetti erfährt, dass Tassini Beweise gegen beide Umweltverschmutzer gesammelt hat und vermutet, dass Fasano hinter dem Mord steckt. Tatsächlich haben sich beide Chefs auf illegale Weise gefährlicher Abfallstoffe in Lagune entledigt. In dieser Sache unterstützt sogar Questore Patta Brunettis Vorhaben, endlich mal einen hinter Gitter zu bringen. Patta erhofft sich mit dem Sturz Fasanos nur die Gunst bestimmten mächtigen Verbündeten zu sichern. Die Aufklärung des mysteriösen Todes des einfachen Menschen Tassini ist für ihn kein Thema, lohnt sich kaum, und er hat nichts davon.

 

Also, wie immer ist der Leser enttäuscht, weil der Beschuldigte aus Mangel an Beweisen wohl nichts zu befürchten hat. Es bleibt ein Gefühl der Bitterkeit über die Machenschaften der Großen von Venedig, die oftmals nicht viel sauber sind, als das Wasser in den Kanälen. Nur der letzte Satz gibt eine kleine Hoffnung auf Gerechtigkeit.

 

Diese Enttäuschung können auch der schöne Frühling in Venedig, die feinen Dufte der Stadt, Dantes Inferno und das italienische Flair nicht nehmen.

 

Fazit: Trotzt der guten Recherche über die Glasproduktion, dem geschichtlichen Einblick in die venezianische Muranoglaserei und Brunettis Flirten mit dem Frühling bleibt ein Gefühl der Unzufriedenheit. Scusi, Signora Leon.

 

Ludmila Hück

3 Sterne
3 von 5

© 2007 Ludmila Hück, Harald Kloth