Nicolas Remin

Die Masken von San Marco

Commissario Trons vierter Fall

Kaiser Franz Joseph und seine eigenwillige Gemahlin Elisabeth sind wieder einmal zu Besuch in der Lagunenstadt. Die zu früheren Zeiten verklärte Ehe der beiden ist im Jahr 1865 bereits ein Trümmerhaufen, jeder der beiden geht seiner eigenen Wege. Aufgrund vieler ungelöster politischer Probleme sinkt die Popularität des Kaisers zunehmend und die Lagunenstadt Venedig will endlich die Loslösung vom Habsburger Reich. Da kommt Franz Joseph auf die für damalige Zeiten nicht ganz unübliche Idee: ein fingiertes Attentat auf ihn soll für einen Stimmungsumschwung sorgen!

 

Bei der Auswahl des Attentäters unterläuft den wenigen Eingeweihten allerdings ein verhängnisvoller Fehler, denn dieser hat (aus Gründen, die sich aus dramaturgischen Gründen erst ganz am Schluss heraus kristallisieren) tatsächlich die Absicht, den Kaiser zu ermorden.

 

Selbstverständlich kommt Commissario Alvise Tron dieser Verschwörung auf die Spur, doch nimmt man diesen kleinen, daher gelaufenen Venezianer, mit seinem abgewetzten Gehrock nicht ernst. Sissy ist mal wieder die einzige Person, die ihm in dieser ausweglosen Situation noch helfen kann ...

 

„Wie langweilig!“ werden sich hier vielleicht einige Denken: weiß doch jeder, dass der Kaiser 1916 während der Wirren des Ersten Weltkrieges im seligen Alter von 86 Jahren sanft entschlief und nicht auf dem Markusplatz zu Venedig einem Attentat zum Opfer fiel!

 

Vorsicht - weit gefehlt: Nicolas Remin versteht es geradezu vorzüglich in diesem vierten Venedig-Krimi, seinem meiner Meinung nach bis dato besten und intensivsten Tron-Roman in drei parallelen Handlungssträngen die Neugier des Lesers immer mehr zu wecken und die Spannung auf das Kommende immer mehr ans Limit zu treiben. Geradezu genial ist der gewählte Stil des Autors: wir Leserinnen und Leser sind genau wie der Attentäter dem Commissario immer eine Nuance voraus; so lebt die Spannung auch von der Frage: Wie kommt Tron jetzt wohl da wieder dahinter?

 

Zudem lässt der Autor den einzigartigen Flair der Serenissima mit ihren unverwechselbaren Einwohnern, den Gerüchen dieser phantastischen Stadt und dem unvergleichlichen Charme, der von dieser ausgeht spielerisch und elegant einfließen.

 

Besonders gelungen finden wir Leserinnen und Leser, dass Nicolas Remin es gekonnt erlaubt, unseren lieb gewonnenen, allen menschlichen Genüssen mehr als zugeneigten Commissario zwar wie immer überlegt und effektiv ans Werk gehen zu dürfen, dies aber süffisanter, bissiger und gelassener als bisher tun darf. So kommt auch die menschliche Seite des gemütlichen und syphatischen Alvise Tron nicht zu kurz: der Abnabelungsprozess von seiner geizigen Mutter schreitet genauso fort wie seine Romanze mit seiner geliebten und in Geldangelegenheiten viel versierteren Principessa.

 

Fazit: Alles in allem eine gelungene Fortsetzung, die wieder einmal Lust auf den nächsten Fall unseres Commissario Alvise Tron macht.

 

Wolfgang Gonsch

4 Sterne
4 von 5

© 2008 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth