Nicolas Remin

Venezianische Verlobung

Commissario Trons zweiter Fall

Ein ganzes Jahr ist ins Land gegangen nachdem Commissario Tron, tatkräftig unterstützt von Kaiserin Sissi, eine Mordserie aufklärte. Er bewohnt mit seiner Mutter noch immer den mehr und mehr verfallenden Palazzo seiner Ahnen zwischen dem Canale Grande und dem Canale Tron und der Heirat zwischen ihm und seiner geliebten Principessa di Montalcino ist er trotz intensiven Werbens auch noch kein Stückchen näher gekommen.

 

Der Fund einer Frauenleiche kommt ihm da inmitten seiner privaten Probleme sehr ungelegen, und als sich bei den Ermittlungen heraus stellt, dass es sich bei der Toten Anna Slataper um die Geliebte von Erzherzog Maximilian, dem Bruder von Kaiser Franz-Josef und zukünftigen Kaiser von Mexiko handelt, schwant Tron nichts Gutes. Egal wie die Ermittlungen auch enden werden - die Konsequenzen über den Tod der Frau werden privat wie politisch nicht ohne Belang bleiben, denn viele der Verdächtigen - unter anderem der mexikanische Botschafter im Vatikan, die rechte Hand des Bischofs oder Schertzenlechner, der Privatsekretär des Erzherzogs - sind gute Bekannte bzw. Geschäftspartner der Verlobten des Commissarios.

 

Je weiter die Ermittlungen im kalten, regnerischen und nebligen venezianischen Spätherbst gedeihen bzw. sich im Kreise drehen und je mehr Morde noch geschehen - die zweifelsfrei dazu führen sollen, dass Maximilian nicht Kaiser von Mexiko wird - desto tiefer verstrickt sich Commissario Tron in ein unglaubliches Verwirrspiel zwischen Juaristas, der katholischen Kirche, dem habsburgischen Kaiserreich, schlichtem Ehebruch und gemeiner Erpressung.

 

Zu allem Überfluss kommt auch noch das private Misstrauen Trons gegenüber Pater Calderon, einem sehr guten alten Bekannten seiner Verlobten zum tragen, das beileibe nicht nur dienstlicher Natur ist. Nur gut, dass Angelina Zolli, ein Waisenmädchen mit äußerst flinken Fingern, in all dem Chaos als einzige den Überblick behält.

 

Nicolas Remin knüpft nahtlos an seinen gelungenen und erfolgreichen Erstling Schnee in Venedig an und entwickelt die Protagonisten gekonnt und gefühlvoll weiter, obwohl die Ähnlichkeiten zu Donna Leons Commissario Guido Brunetti (Alvise Tron), Sergente Vianello (Bossi) und dessen Chef, Vice-Questore Patta (Baron von Spaur) charakterlich schon sehr frappierend sind.

 

Dass sich der Autor nicht nur in Venedig sondern auch in dieser glanzvollen Epoche heimisch fühlt merkt man in seinen allgegenwärtigen und detailverliebten Ausschmückungen. Das vorhandene geschichtliche Background-Wissen über das Habsburger Reich sowie die liebevollen und sehr kenntnisreichen Ortsbeschreibungen von La Serenissima bereichern diesen zweiten Fall des Commissario Tron und runden diesen sehr detaillierten, wunderbar flüssig zu lesenden und bis zum Schluss absolut spannenden Kriminalroman wunderbar ab.

 

Fazit: Spannende Unterhaltung voller Esprit.

 

Wolfgang Gonsch

4 Sterne
4 von 5

© 2006 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth