Sándor Márai

Die Fremde

Roman

 

Der Professor für orientalische Sprachen Viktor Askenasi ist verheiratet, hat eine interessante Arbeit und eine intakte Familie. Alles scheint ganz normal zu sein, aber der Schein trügt. Viktor ist mit seinem Leben unzufrieden und irritiert. Seine Arbeit füllt ihn nicht aus, auch die Liebe bringt nicht das ersehnte Glück.

 

Viktor Askenasi trifft eines Tages die Tänzerin Eliz, eine Russin. Er verliebt sich in sie. Diese Frau bedeutet ihm unvergleichlich mehr als alle Frauen, die er bis dahin gekannt hatte. Sie ist eine Frau, in deren Gesellschaft er sich körperlich verjungt und manchmal nahezu glücklich fühlt. Er handelt sofort. Er verlässt seine Familie und lebt mit Eliz zusammen in der Hoffnung, dass diese schicksalhafte Begegnung seine Sehnsüchte nach Glück, Vollkommenheit und nach der echten Leidenschaft stillen kann. Doch dem ist nicht so. Eliz ist zwar "das Fliegen selbst", das Erlebnis, aber niemals das Ufer. Nach scheinbar glücklichen, reizvollen Tagen und Wochen geht er wieder, genauso rasch und leise, wie er gekommen ist, ohne die Antwort auf seine Fragen nach dem Sinn des Lebens zu bekommen.

 

Askenasi ist weit entfernt vom realen Leben. Er findet sich nicht zur recht mit der Realität und vergräbt sich nun in seine eigene Welt, voller Zweifel an der Menschheit und an sich selbst, voller Sucht nach dem Sinn des Lebens, nach der Tiefe des menschlichen Seins. Er findet leider keine Antworten, keine Befriedigung und keine Freude am Leben. Auch die Liebe und die Ehe sind wohl doch nicht das große Glück. Seine Frau bleibt ihm fremd, seine Geliebte kann ihn von seiner Sucht nicht erlösen und so treiben ihn seine Gedanken zum Wahnsinn. Askenasi begeht einen Mord, glaubt es selbst nicht und lehnt die Tatsache ab. Wird er aber auch befreit von seinen inneren Kämpfen? Kann ein Mord eine Erlösung für eine kranke Seele sein?

 

Was fehlt ihm denn? Was ist mit ihm los? Warum handelt er so? Das fragen sich seine Frau, seine Kollegen und seine Freunde. Der Leser aber nicht, denn er wird vom Autor so leicht und sensibel durch das Labyrinth von Askenasis Leben, seines fieberhaften Denkens und dramatischen Handelns geführt, dass er sich mitten im Geschehen zu sein fühlt und das Schlimmste schon ahnt.

 

Das macht dieses Buch, wie auch andere von Sándor Márai, zu einer guten Literatur. Schön wie Stefan Zweig, zweifelhaft wie Siegmund Freud.

 

Fazit: Eine anspruchsvolle Lektüre.

 

Ludmila Hück

4 Sterne
4 von 5

© 2006 Ludmila Hück, Harald Kloth