Ian McEwan: Abbitte

Roman

Zürich ; Diogenes ; 2002 ; 533 Seiten ; ISBN 3-257-06326-1

 

Der bisher neunte Roman von McEwan mit dem Title »Abbitte« ist ohne Zweifel zu Recht von vielen Buchkritikern zum Buch des Jahres 2002 im Bereich Belletristik deklariert worden und stellt ihn so nun auf eine Stufe mit dem englischen Starautor Somerset Maugham. Die fast unerträgliche Leichtigkeit in der der Roman im glühend heißen Sommer des Jahres 1935 in England zunächst spielt, erinnert stark an den Roman »Bonjour Tristesse« der Autorin Francois Sagan. Auch dort steuert ein Mädchen eine zunächst unbeschwerte Situation eifersuchtbedingt in die Katastrophe. So auch in dem vorliegenden Stück.

 

Briony Tallis, ein 13jähriges Mädchen, dass gerade das Theaterstück „Heimsuchungen Arabellas“ zu Ehren des heimkehrenden Bruders Leon beim abendlichen Dinner zur Aufführung bringen will, sieht, was sie nicht sehen soll und führt so die Idylle in den Abgrund. Die Liebe ihrer älteren Schwester Cecilia zu Robbie Turner, dem Mann, denn auch sie in ihrer kindlichen Märchenwelt begehrt, wie es nur eine 13jährige kann, ist für sie nicht greifbar. Als sie die beiden in einer für sie nicht deutbaren Situationen ertappt fragt sie sich, welch geheimer Zauber sich zwischen den beiden abspielt. Schließlich ergibt sich zufallsbedingt eine für sie günstige Situation, die sie eiskalt ausnutzt. Scheinbar von ihren Gefühlen übersteuert, trifft sie eine für alle Beteiligten fatale Entscheidung und bezichtigt den von ihr Begehrten der Vergewaltigung an ihrer frühreifen Cousine und versucht ihn so aus den Armen ihrer Schwester zu treiben.

 

Die späte Reue im zweiten Teil des Buches, als Briony zunächst versucht, durch soziale Dienste ihr Gewissen zu reinigen, dann schließlich auch verbal ihre Falschaussage revidiert, kommt jedoch zu spät. Der Leser zunächst im Glauben gelassen, dass doch noch alles auf ein Happy End hinauslaufen könnte, wird im dritten Teil auf den bitteren Boden der Realität zurückgeführt. Nicht nur wird bekannt, dass die Vergewaltigte ihren Peiniger, einen Industriellensohn, geehelicht hat - nein, auch die niemals endende Liebe zwischen Cecilia und Robbie, die jetzt scheinbar wieder hoffnungsvoll in die Zukunft blicken kann, wird durch einen tödlichen Bombenabwurf jäh zerstört.

 

Ein insgesamt unheimlich fesselndes Buch, welches den Leser auch in zum Beispiel beruflich bedingten Lesepausen gedanklich mit dem Roman fixiert und immer wieder ein Ende der Lesepause herbeisehnen lässt. Im ersten Teil die verknüpfende und bildhafte Darstellung der sommerlich flimmernde Hitze auf dem englischen Landsitz, der umherstreunenden Briony, der an Migräne leidende, ans Bett gefesselte Mutter, des abendlichen Gastes, das Werben von Robbie Turner um Cecilia und schließlich die sich lange ankündigende Katastrophe, im zweiten Teil die vermeintliche Wende, die Abbitte, und schließlich im dritten Teil die Auflösung vieler Fragen im Rahmen einer Rückschau, überzeugt nachhaltig. Dies gilt nicht nur für den inhaltlichen Spannungsbogen, sondern auch für die Detailtreue bei der Schilderung der Kriegswirren des Zweiten Weltkrieges im zweiten Teil und der insgesamt gewaltigen Bilderflut.

 

2007 wurde der Roman unter gleichnamigem Titel »Abbitte« (»Atonment«) von Regisseur Joe Wright (»Stolz & Vorurteil«, «Die dunkelste Stunde«) mit Keira Knightley und James McAvoy ausgezeichnet verfilmt.

 

Fazit: Ein großartiges Buch, das wenn man etwas kritisieren kann nur an seinem etwas zu starken Spannungsabfall im dritten Teil leidet.

 

Andreas Pickel

4/5 Sterne
4/5 von 5
© 2003 Andreas Pickel, Harald Kloth

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