Leon de Winter: Geronimo

Roman

Zürich ; Diogenes ; 2016 ; 444 Seiten ; ISBN 3-257-06971-5

 

„Geronimo“, der neue Roman des niederländischen Autors Leon de Winter, ist betitelt nach dem Codenamen, den Osama bin Laden erhielt, als er bei "Neptune’s Spear", der Operation der CIA, in seinem Versteck in Pakistan aufgespürt und am 2.5.2011 getötet wurde.

 

Tom, der Ich-Erzähler und Afghanistan-Berufskämpfer, wirkt zwar nicht aktiv bei Neptune’s Spear mit, hat jedoch freundschaftlichen Kontakt zu den Kämpfern sowie durch langjährige Afghanistan-Einsätze das nötige Wissen über alle Insider-Vorgänge. In einer bierseligen Nacht erzählen die Freunde vom Seals Team 6 ihm, was sie vorhaben – sie sind nämlich nicht gewillt, den Anweisungen von oben Folge zu leisten, sondern schmieden eigene Pläne. Demzufolge verläuft die Aktion am 2.5.2011 ganz anders, als die Welt fortan glaubt: das Team tötet ein Double von Osama bin Laden und entführt den meistgesuchten Terroristen der Welt, ohne etwas davon verlauten zu lassen. Die Verwicklungen, die daraus entstehen, machen aus dem Roman einen atemberaubenden Thriller, der zwischen harten Agenten-Aktionen und zarten, sehr erschütternden zwischenmenschlichen Vorgängen wechselt. Tom nämlich ist ein körperlich und seelisch tief verwundeter Mann, der seine kleine Tochter verloren hat und der durch seine Erziehung – seine Eltern sind Berufsmusiker – eine tiefe und intensive Prägung durch die Musik erfahren hat. In Afghanistan konnte er einem Mädchen, Apana, die Musik von Johann Sebastian Bach nahebringen, allerdings geht mit Apana alles schief, was nur schief gehen kann und Tom ist wie besessen davon, dem Mädchen zu helfen, wodurch er auch den Tod seiner Tochter ein Stück weit zu verarbeiten versucht.

 

Leon de Winter verknüpft den kämpferischen Bericht mit musischen Elementen, was neben der kriegerischen auch eine intime Ebene schafft, die Platz bietet für Toms Traumata und die aus ihnen resultierenden Emotionen. Überdies lässt de Winter sehr anschaulich und authentisch kulturelle und religiöse Unterschiede aufeinanderprallen, zudem stehen die Vorgänge um das Einzelschicksal Apanas dem Unding gegen, das der noch lebende Osama bin Laden für die Welt darstellt. Leon de Winter setzt dem Ganzen die Spitze dadurch auf, dass er Apana und bin Laden vor seiner Ergreifung auf eine genial konstruierte Art und Weise aufeinandertreffen lässt, was den Fortgang der Geschichte entscheidend beeinflusst.

 

Fazit: Eine starke Leseempfehlung nicht nur für Thriller-Leser, ein Pageturner der Extraklasse!

 

Christa Roßmann

5 Sterne
5 von 5

© 2016 Christa Roßmann, Harald Kloth